Südfrankreich ist bekannt für savoir-vivre, die Kunst des schönen Lebens. Diese Kunst haben Kathi, Johanna, Jürgen, Fabi und Alex (Projektleiter) mit Martin (Skipper) ausführlich ergründet auf dem Weg von Hyères nach Marseille. Sie begegnete uns in traumhaften Buchten von Poquerolles, den Calanques, in Städtchen wie Bandol, La Ciotat und Cassis und nicht zuletzt durch selbst gekochte Abendmenüs an Bord der Vereinsyacht askew, die wir mit viel Muße gemeinsam gekocht haben.
Das Menü savoir-vivre auf der askew gefällig? Hier unsere Empfehlung:
Zum Aperitiv ein Croissant in Mulhouse und später eine Weinprobe in der Domaine de la Citadelle im Luberon: Das erweckt erste Urlaubsgefühle und schafft Vorfreude auf kommende Tropfen im Glas. Der Empfehlung des Weinguts fürs Abendessen in L'Isle-sur-la-Sorgue folgten wir gerne vor einem Nachtstopp im kleinen Ferienhaus bei Aix-on-Provence. Der Blick auf Kalkfelsen des Petit Luberon, Olivenheine, Weinberge und die Backwaren der Bäckerei ums Eck unserer Unterkunft verstärkten die Vorfreude auf die Vorspeise.
Die Vorspeise will mit Liebe vorbereitet sein. Die angestrebte Dauerküchenparty von einer Woche Länge für sechs Personen sorgt für drei Einkaufszettel und vier gut befüllte Einkaufswagen in Hyères. Spannend war dabei die Gratwanderung zwischen Vorrat für die ersten Tage und genug Mut zur Lücke, um die sich bietenden Chancen frischer Lebensmittel auf kommenden Märkten nicht durch zu viel Sicherheitsbunkerei zu gefährden. Die Menüs wurden reihum ausgedacht, gegenseitig angeleitet und gemeinsam verspeist. Spezielle Lebensmittel und Gewürze wurden aus Deutschland mitgebracht, um die Einkaufsfreude von französischem Weichkäse, kleinblättrigem Basilikum und Schokotörtchen mit halbflüssigem Kern nicht durch die vergebliche Suche nach Rosenwasser oder Curryblättern zu schmälern. Es versteht sich von selbst, dass Smutje scharfe Küchenmesser, Staub-Gusstopf, Lieblingspfanne, Geschirr für drei Gänge und Lieblingsküchenspielzeug mitführt. Außerdem kamen das gute Tafelsilber, Weingläser und Stoffservietten ins Gepäck, um es krachen zu lassen. Bereit für die Vorspeise? Voilà.
Nach der Schiffsübernahme und Abschied von der Vorcrew wurden Knoblauch, Tahin und Kichererbsen mit Landstrom zu Humus püriert. Es gibt eine Fülle von Dips, die leicht vorbereitet und gut gelagert werden können. Kommt Hunger auf, sind sie schnell in ein Schälchen gefüllt, mit Ölivenöl beträufelt, Fleur de Sel bestreut und einem Blatt Basilikum garniert. In kurzer Zeit hat man eine Auswahl von 1a-Vorspeisen, die mit einem Stück Baguette, ein paar Oliven oder einigen Scheiben Edelsalami nicht lange überleben. Tauchen hungrige Nachbarn auf, die man beim Schwoien knapp verfehlt hat, ist der Frieden damit schnell herstellbar. Gut vorbereiten lässt sich auch die Pissaladière aus Nizza. Der dick belegte Zwiebelkuchen fordert Leidenschaft beim Zwiebelnschälen und gute Kenntnis der Wärmeverteilung im Ofen. Bei schöner Aussicht und ein paar Tricks geht das leicht von der Hand. Damit ist der größte Hunger schon gestillt, Zeit den Weißwein großzügig nachzuschenken und sich auf den Hauptgang zu freuen.
Flanieren an Land, segeln, schwimmen zum Filmset an einem Strand oder in die Grotte der Calanque, wo wir vor Anker liegen, all das füllt die Zeit zwischen den Mahlzeiten. Warum nicht mal den Zweitanker ausbringen, den Spinnaker für fünf Minuten vor einer Gewitterfront heißen oder nach einer verlorenen Wäscheklammer tauchen? Oder ein paar Q-Wenden fahren, die Schönheit eines einhändig gefahrenen Quickstop-Manövers genießen und immer wieder herzlich lachen – wir haben alles getan, um den Hunger wiederherzustellen.
Hauptgänge gab es auch. Zucchini-Schiffchen mit Dattel-Ziegenfrischkäse, knackigem Speck und Portweincaramelspiegel zum Beispiel. Knusprig, pikant, raffiniert. Es wurde geschnibbelt und einreduziert, kaltgestellt und gebraten bis die Gasflasche gefroren und die Kajüte eine Sauna war. Savoir-vivre erfordert Leidenschaft. An Land gibt es die Flucht ins italienische Bistro mit charismatischem Service und in Scheiben geschnittenen Fischeiern auf dem Risotto. Oder zum Törnabschluss das Restaurant, in dem einem die Nachtischauswahl auf einer Platte unter die Nase gehalten wird – wer könnte da nein sagen? Genießen, zahlen, gehen. Die eigene Kombüse bietet dagegen die Magie, etwas Großartiges aus eigener Kraft zu zaubern. Nichts gegen gute Restaurants, aber sie bieten selten die Zufriedenheit eines selbst gekochtes Menüs an Bord, wenn schließlich gesättigt-entspannte Gesichter mit dem Sonnenuntergang verschmelzen und Ruhe nach dem Besteckrasseln einkehrt. Dazu gerne einen Schluck lokalen, leichten Rotwein, was könnte schöner sein?
Und zum Dessert? Gebratene Steinfrüchte, gegrillte Teignester, halbflüssige Schokotörtchen und Zabaione. Auch Pâtisserien an Land suchen ihresgleichen. Espresso? Eben die Bialetti mit dem handverlesenen Pulver füllen, auf das charakteristische Gurgeln mit Vorfreude warten. Wir haben viel über Gewohnheiten, kleine Schätze und Quellen der anderen Smutjes erfahren und inspirierende Rezepte ausgetauscht.
Dann ist alles aufgegessen und es bleibt dieses samtige Wohlgefühl zurück, das sich schwer bestellen oder festhalten lässt. Wir machen noch gemeinsam den Abwasch, sprechen über dies und das, sitzen in der blauen Stunde an Deck an der blauen Küste. Die Zeit ging schnell vorbei. „askew hat jetzt einen Stern“ resümiert Martin. Ja, eigentlich hat sie einen Skipper und fünf Sterne, die das möglich gemacht haben. Und wie jede Party hinterlässt auch diese einen kleinen Kater. In der Bar am Vieux Port in Marseille gibt es den letzten Schluck Pastis und den letzten Tanz vor der Heimfahrt. Côte d'Azur, wie schön ist das Leben hier!