Gesetztes Ziel des Spinnakertrainings war es, eine Crew von vornehmlich Einsteigern (nach dem SKS-Praxistörn) an das Segeln mit Spinnaker heran zu führen. Als Boot hatten wir eine sehr gut ausgerüstete Farr 40 zur Verfügung. Für die meisten von uns war der Törn ein erster deutlicher Schritt in Richtung Regattasegeln, was die Durchführung von Manövern sowie die Ausrüstung des Bootes anging: Foliensegel, Kohlefasermast, „rod rig“, ordentlicher Traveller, Dreigangwinschen und genügend Winschkurbeln an Bord, statt Kompromiss-Rig auf den alltäglichen Charter-Badewannen! Weil das Boot, rigoros auf Wettfahrten getrimmt, nicht für komfortables Bewohnen ausgelegt war, durften wir authentisches italienisches Flair in einem kleinen Bergdorf genießen, wo wir ein sehr schnuckeliges Ferienhaus angemietet hatten (großer Dank an unsere Vermieterin Maria Antoniazzi, dass sie uns Truppe aufgenommen hat).

Neben ausführlichem Training mit Spinnaker vor der ligurischen Küste haben wir unseren Törn mit einer nonstop Überfahrt nach Korsika, rund Giraglia, abgerundet. Insgesamt dürfen wir auf eine ereignis- und erfahrungsreiche Woche zurückblicken.

Zur Anreise trudelten wir spät freitagabends am bewährten Treffpunkt auf dem KIT-Campus ein, um Richtung Riviera aufzubrechen. Zehn Segler, Einkäufe, Proviant und viel Material verteilten sich auf einen Sprinter und einen Kangoo zur Übernachtfahrt. Durch die sehr guten Verkehrsbedingungen waren wir bereits zum Frühstück bei unserer Marina und konnten uns mit Espresso und Gebäck für den ersten Segeltag stärken.

Die ersten Tage haben wir uns grundlegend mit dem Boot vertraut gemacht: Segeln unter Groß und Genua, MOB-Manöver. Spätestens beim Setzen und Bergen des Spi wurde uns allen klar, wie man eine Crew von zehn Personen auf einem 40-Fuß-Boot beschäftigen kann. Extrem hilfreich waren die Trockenübungen der Spi-Manöver im Hafen:

Ohne Zeit- und Winddruck haben wir die beteiligten Leinen, Beschläge und Positionen durchgesprochen (großes Kompliment an unsere Skipper- und Ausbilder-Crew). Trotz der vergleichsweise hohen Komplexität – insbesondere mit doppelter Schotführung für den Spinnaker – hatten wir eine Vorstellung davon, wie die Abläufe aussehen sollten, noch bevor es aufs Wasser ging. Auch die vielen neuen Begriffe (nicht alle so eingängig wie der „downfucker“) waren als gemeinsame Sprache etabliert.

Natürlich haben die Manöver dann doch nicht gleich reibungslos funktioniert – in Bewegung auf dem Wasser ist eben eine andere Situation als fest im Hafen, und es schleichen sich Fehler und Versäumnisse ein. Fast jeder Vorschiffsmann hat  bei seinen ersten Shiften den Achterholer konsequent falsch herum eingehängt (den Fehler sofort zu bemerken machte die Situation nicht weniger peinlich beim dritten Mal verkehrt…). Durch das gute Zusammenspiel der Crew hat die Korrektur nur drei Sekunden beim nachfolgenden Manöver gekostet – klarer Übungsbedarf (dafür geht man ins Training), aber kein ernsthaftes Problem.

Während des Trainings herrschte an der Küste durchgängig Leichtwind um die sieben Knoten. Die Handhabung des Spinnakers wurde dadurch vereinfacht, unsere sportlichen Seglerherzen aber nicht vollkommen glücklich. Um Abhilfe zu schaffen, schoben wir eine Überfahrt nach Korsika ein, nonstop rund Giraglia und zurück: Auf dem offenem Meer waren schöne 6 Bft vorhergesagt, die galt es einzufangen.

Nachdem wir die ersten Seemeilen durch Flaute motort waren, fanden wir tatsächlich Wind, der nach und nach auf die versprochenen 20-25 Knoten auffrischte. Fast exakt auf Halbwindkurs fuhren wir durch Genießer-Seegang mit zwei bis drei Meter Wellenhöhe. Sechs Crewmitglieder waren davon so beeindruckt, dass sie sich zum „Gewichtstrimm durch Vomitation“ freiwillig meldeten. Der erste sogar direkt in Luv des Rudergängers…

Schon unterhalb der zwanzig Knoten fiel die Entscheidung zum Reffen des Großsegels. Die Genua sollte durch eine schwere Fock ersetzt werden. Dank aerodynamisch niedrigem Freibord spülten die Wellen sehr viel Wasser aufs Boot, was der Vorschiffscrew – bisher nur Schönwettermanöver gewöhnt – ganz neue Erfahrungen beim Vorsegelwechsel bereitete: Das Anschlagen der Fock an Hals und Schothorn war eher „Tauchgang“ als Segeln. Mehrere automatische Rettungswesten fielen dabei unserem Vorschiffsmann Marius zum Opfer. Den Rest der Überfahrt verbrachte er dekorativ im orangen Look einer aufgeblasenen Weste.

Kurz vor zehn Uhr nachts erreichten und umrundeten wir Giraglia, die kleine Felseninsel an Korsikas Nordspitze. Müde und hungrig wollten wir das Zwischenziel mit dem Chili con carne vom Vorabend feiern. Also blieben wir etwas länger auf ruhigem Raumwindkurs. Jens schaffte das Chili an Deck – natürlich kalt – und verteilte es stilgerecht auf Tassen. Genau in dem Moment schwappte eine Welle übers Vorschiff, lief über das Deck und schaffte es gerade so weit, dass sie fast vertikal von oben ins Cockpit floss: Genau auf Jens, das Chili, und die versammelte hungrige Meute. Ein unvergessliches Bild für die Götter – zumindest aus der Perspektive des Rudergängers. Wider alle Erwartungen blieben Topf und Tassen an Bord. Allein das Chili war halbe/halbe mit Seewasser aufgefüllt. Geschmeckt hat es uns trotzdem – oder gerade deswegen, weil „nachgesalzen“?

Frühmorgens begann der Wind langsam nachzulassen, sodass wir gegen drei Uhr wieder das Großsegel ausreffen konnten. Danach fielen auch die letzten erschöpft in ihre Kojen und ließen sich von Crewmitgliedern ablösen, die schon vorher ein paar Stunden Schlaf gefunden hatten. Morgens um halb acht tauschten wir die Fock wieder gegen die Genua – so entspannt, dass unser Bordfotograf sogar wieder seine Kamera an Deck holte.

Bis auf die Nacht der Überfahrt sind wir jeden Abend in unser Ferienhaus zurückgekehrt und haben uns mit kulinarischen Leckerbissen und „moralsteigernden“ Getränken gestärkt. Unser Einkaufs- und Küchenteam hat uns sehr abwechslungsreich bekocht: Hähnchen-Ananas-Curry, Ratatouille und Chili con carne standen auf dem Plan (Dank an Kay, Lorenz, Philipp und Stefan). Rüdiger kochte uns seine berüchtigten Spaghetti Putanesca.

Den kulinarischen Abschluss unseres Törns bildete das Restaurant „au gumbu“ am Freitagabend. Auf Empfehlung von Maria haben wir uns durch Vorspeisen wie Ravioli au ragót (ganz anders als der Deutsche das aus Dosen kennt), Vitello e Tonnato und „die leckeren Teigbällchen“ gefuttert, bevor wir uns auf unsere Pizzas stürzten. Ein kleiner, immer noch nicht müder Stoßtrupp machte sich danach noch auf den Weg zum mittelalterlichen Städtchen Finalborgo, um in den engen Gassen der sehr gut erhaltenen Altstadt ein Eis zu genießen.

Der Tag unserer Abreise wurde leider statt einem Segel- nur noch ein Badetag, weil der Wind nun endgültig eingeschlafen war. In der brutzelnden Sonne haben wir anschließend Klarschiff gemacht und das Boot übergeben. Nach einer wohlverdienten Dusche in der luxuriös ausgestatteten Marina ging es zurück nach Karlsruhe … wo zu unserer Überraschung noch größere Sommerhitze herrschte.

[Crew: Tom, Stefan, Reinhard, Kay, Rüdiger, Lorenz, Jens, Philipp, Marius, Claudius]

Datum: 21.08.15 - 29.08.15
Revier: Ligurisches Meer
Skipper: Rüdiger Bender, Jens Witteler (Co), Reinhard Bühler (Überfahrt)
Boot: Farr 40
Crewstärke: 10
Studentische Teilnehmer: 4
Start- & Zielhafen: Loano, Italien
Zurückgelegte Seemeilen: 255
Typ: Langstrecke
Projektleiter: Rüdiger Bender
Bericht: Marius Hillenbrand