Live-Bericht aus Port-Grimaud
Freitag 22.00 Uhr, Treffpunkt am IEH, Erinnerungen an viele Cote d’Azur Törns keimen auf. Alle 8 Teilnehmer sind überpünktlich. Doch dann der erste Schock: Auf dem Gehweg neben unserem 9-Sitzer Bus stehen geschätzte 2 m3 Gepäck. Das passt doch nie rein. Aber der Kaffeevollautomat, Beamer, Drucker und die Taucherflasche müssen zusätzlich zu dem ganzen Segelgepäck natürlich mit. In akribischer Puzzlearbeit fangen wir an, das Ganze einzuräumen. Wie jedes Mal passiert schließlich das Ungeheuerliche: Das gesamte Gepäck passt tatsächlich alles rein und auch jeder Segler findet noch seinen Platz im Auto. Punkt halb elf fahren wir los, das hat ja schon mal super geklappt.
In flotter Fahrt erreichen wir gegen 07.30 Uhr Port Grimaud, westlich von St. Tropez. Kurz darauf öffnet auch das erste Café, wunderbar! Um nicht mit 8 Seglern während der zwei Wochen auf der Regattayacht wohnen zu müssen, haben wir zusätzlich ein Haus mit Liegeplatz gemietet. Alles klappt problemlos und um 10.30 Uhr beziehen wir unser Quartier für die nächsten zwei Wochen. Das Haus ist super, Küche, 4 Zimmer, offener Kamin, wunderschöne Terrasse. Nur am Bootsanleger fehlt noch unsere „Jacana Sails“ – eine Archambault 35. Wir trinken erstmal ein kaltes Bier, das der Vermieter freundlicherweise in den Kühlschrank gestellt hat.
Danach planen wir den weiteren Tag: Ein Teil der Crew geht einkaufen, während der zweite Teil sich zu Arcadie Plaisance begibt um sich das Boot näher anzuschauen. Auch hier alles bestens: Boot liegt zur Übergabe bereit am Steg, diese findet allerdings erst morgen statt. Ein erstes Urteil unserer Yacht entspricht den Werbezeilen von Archambault: „This Boat was made for racing only“.
Wir trinken auf dem Marktplatz noch ein Bier und gehen dann zurück zum Haus, wo die Einkaufscrew uns schon sehnsüchtig erwartet um das Eingekaufte schnellstens zu verstauen um ja keine Unterbrechung der Kühlkette zu verursachen Doch dann kommt es zum ersten handfesten Krach: Der Vorschiffsmann hat doch tatsächlich Rum aus Martinique eingekauft, der dem Steuermann fürchterlich von der letzten Antigua Sailing Week in Erinnerung ist. Zunächst soll jedoch darauf verzichtet werden, den Seglerrat zur Vermittlung hinzuzuziehen...
Unmittelbar nach dem der riesige Einkauf verstaut ist, serviert Eugenia eine unglaublich gute selbstgemachte Avokadomousse mit Zwiebeln, Tomatenstückchen und viel Knoblauch als ersten Snack. Gemütlich sitzen wir dabei auf unserer Terrasse und ernten neidische Blicke der verbeifahrenden Bootsbesatzungen.
Das Abendessen wird zum ersten kulinarischen Highlight des Segelurlaubs: Markus serviert als Vorspeise einen gemischten Frühlingssalat mit gegrillten Fleisch und Thunfischstreifen. Als Hauptgang gibt es marinierte, gegrillte Shrimps (die wir in geheimer Mission gepuhlt haben, während der Vorschiffsmann schlief), mit Spaghetti. Einfach lecker! Den Abend lassen wir nun bei Weißwein, Cuba Libre und dem Geschrei von Möwen und einem ralligen Kater auf unserer Terrasse ausklingen.
Wir freuen uns natürlich auf morgen und hoffen, dass wir gegen Mittag endlich unsere Archambault 35 übernehmen und am Nachmittag bereits einen ersten Schlag machen können!
Live-Bericht aus Port-Grimaud
Erst mal ausschlafen und dann in aller Ruhe frühstücken. Die Terrasse ist wunderbar, allerdings gibt es am frühen Morgen noch keinen Schatten, Erinnerungen an die Copa 2010 mit der berühmten „gelben Sau“ werden wieder wach. Aber auch dafür ist schnell eine Lösung gefunden: Die Vorschiffscrew zaubert aus diversen Sonnenschutzschirmen provisorische Schattenspender. Nach dem Frühstück werden langsam alle unruhig, offiziell bekommen wir das Boot um 14:00 Uhr. Trotzdem machen sich um 10:30 Uhr drei Mann auf zum Arcadie Plaisance, vielleicht klappt‘s ja schon früher!
Wir treffen Corentin, mit dem auch der komplette E-Mail Verkehr im Vorfeld lief. Alles läuft optimal: Nach der Kaution und ein paar Unterschriften haben wir eine Stunde später das Boot. Wir müssen uns zunächst an den reinrassigen Regattaracer gewöhnen und unsere bisherigen Erfahrungen teilweise über Bord werfen. Wir fragen z.B. nach einem Kabel um die Batterien mit Landstrom zu laden. Geht nicht, meint Corentin, das Boot hat aus Gewichtsgründen natürlich keinen Laderegler. Die Batterie kann nur über den Motor geladen werden. Und so kommt eins zum anderen: Die Klampe auf dem Vorschiff (logischerweise gibt es nur eine) versenkt sich automatisch, so dass sich keine Schoten oder Fallen darin verhaken können. Die ganzen Fallen und Schoten sind so dünn wie auf der Jolle, aber recken quasi keinen Millimeter. Alles Top-Material! Die Segel sind nagelneu, beim Auspacken dachten wir die kommen direkt vom Segelmacher. Insgesamt ist alles in einem Top-Zustand, auch der Tank ist leer – einen Dr. Pump werden wir hier also keinen küren können.
Wir sind begeistert von dem Boot und fahren es zunächst mal zu unserem Haus. Der Rest der Crew erwartet uns schon sehnsüchtig auf der Terrasse am Anleger und ist bereit zum Ausräumen des Bootes. Jedoch musste enttäuscht festgestellt werden, dass nicht mal eine Ankerwinsch abgeschraubt werden kann! Sehr viele raffinierte Details in der Ausstattung werden entdeckt. Etwa die kleinen Schnappschäkel an der Segeltasche für die Reling oder die Gummistropps an der Reling, die unter Gennaker die Genua mit sichern.
Um 14:30 Uhr laufen wir aus, setzen die Segel und ab geht die Post. Bei relativ wenig Wind läuft das Boot sofort fast Rumpfgeschwindigkeit. Wir fahren die ersten Wenden und merken sofort, daß das Boot viel Potential hat, aber auch extrem launisch ist. Kleinste Fehlbedienungen nimmt es sofort übel, sprich es verweigert die Speed. Nach dem ersten Aufkreuzen in der Bucht wird dann alles vorbereitet für den Gennaker. Hoch das Tuch und ab geht es Downwind mit richtig Speed. Alle an Bord sind begeistert, alle Winschen funktionieren, alle Blöcke, der Traveller, einfach alles.
Bei einem Manöver passiert dann leider doch noch ein kleines Missgeschick, das einen Besuch beim Segelmacher nach sich ziehen wird. Aber was wäre eine ASK-Regatta ohne Besuch beim Segelmacher…
Kurze Zeit nach dem Festmachen vor der Terrasse wehen auch die obligatorischen Flaggen der Sponsoren und der ASK am Vorstag. Der Skipper ist beinahe etwas sauer: Die „To-Do-Liste“ zur Abendbeschäftigung der Crew bleibt überschaubar und wird gleich auf Hochtouren abgearbeitet.
Parallel zaubert die Küche Vorspeisen und einen fantastischen Hauptgang mit Zucchini, Lammkoteletts, Couscous und gerösteten Zwiebeln.
Nach der heutigen mäßigen Brise müssen wir morgen mit deutlich mehr Wind rechnen. Windfinder sagt 15-25 Knoten Wind vorher, der DWD kündigt gar Böen bis zu 8 Bft an. Wir sind weiterhin gespannt!
Morgens das übliche, erst mal ausschlafen, dann gemütlich frühstücken und als nächstes die Suche nach dem Segelmacher. Das gestaltet sich dann als recht lustig. Bei Arcadie ist noch niemand im Büro, also fragen wir in der Capitainerie nach einem Segelmacher. Der schickt uns zunächst zur Werft im Hafen. Dort empfiehlt man uns einen Segelmacher in den Weinbergen von Cogolin. Der Weg dorthin ist nicht gerade einfach… Wie haben wir früher ohne iPhones und Navi eigentlich überhaupt einen Weg gefunden? Der Segelmacher dort ist etwas überrascht, dass wir zu ihm gekommen sind als er das Segel sieht. Das Segel gehört doch Jacana, meint er, und wir bestätigen: Ja Jacana ist der Eigner des Bootes. Dann stellt sich heraus, dass Jacana Sails ein Segelmacher ist. Er erklärt uns den Weg zu ihm und wir fahren dorthin. So lernen wir schneller als erwartet Marc, unseren Trainer, kennen. Der erste Kontakt verläuft dann auch sehr angenehm, er ist in keinster Weise sauer über unser kleines Malheur. Die Reparatur des Segels ist kein Problem und wir verabreden uns für morgen 11.00 Uhr an unserem Haus.
Zurück am Haus stellen wir fest, dass es ordentlich kachelt, selbst auf unserer windgeschützten Terrasse ist es ungemütlich windig. Wir entscheiden erst mal einen Blick in die Bucht zu werfen, bevor wir auslaufen. Mit dem Auto geht es dann Richtung St. Tropez und was wir dort sehen lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass wir nicht auslaufen. Der Mistral bläst mit geschätzten 30-40kn und die Bucht ist komplett weiß mit Schaumkronen. Wir fahren weiter in die Innenstadt und machen einen Lay-Day. Gemütlich schlendern wir am Hafen entlang, spazieren dann durch die Gassen der Altstadt. Schließlich die wohlverdiente ausgiebige Pause in einer Bar am Marktplatz. Auf der Rückfahrt ein „kurzer“ Stop beim Supermarkt und dann zurück auf unsere mittlerweile schon liebgewonnene Terrasse zu unserem Küchenteam, das schon sehnsüchtig darauf wartet, uns wieder kulinarisch zu verwöhnen.
Nach dem gestrigen Lay-Day ist heute Action angesagt! Der Skipper weckt alle um 08.00 Uhr, 09.00 Uhr ist Frühstück und ab 09.30 wird gearbeitet. Ein Teil fährt zum Segelmacher und zu Arcadie um die letzten Teile abzuholen, der Rest der Crew bereitet alles am Boot vor. Um Punkt 11 erscheint Marc, der Eigner unserer Archambault 35. Nach einem kurzen Kaffee geht es los!
Der Wind ist optimal zum Trainieren: 8-10 kn und außerdem recht wechselhaft in Stärke und teilweise auch in der Richtung. Wir kreuzen unter G1 aus der Bucht und Marc coacht an jeder Position und zeigt uns wie das Boot optimal getrimmt wird. Überhaupt ist Marc ein absoluter Spezialist, was Segel betrifft. Alle Segel auf der Archambault hat er selbst entworfen und natürlich auch gefertigt. Zurzeit entwickelt er spezielle Genuas mit Flügel-Öffnung, mit denen man dann 10° höher am Wind segeln können soll... Während der Kreuz optimieren wir stetig den Trimm und üben Wenden, die auf der A35 gar nicht so einfach sind. Das Boot ist sehr leicht und dementsprechend bremst es auch schnell ab, wenn der Vortrieb fehlt. Bei den Wenden muss alles genau zusammenpassen damit die Speed im Boot bleibt. Rudergänger, Genua- und Großschoter müssen äußerst akkurat zusammenarbeiten. Der kleinste Fehler bringt das Boot zum Stehen (und den Blutdruck unseres Skippers zum Steigen).
Nach ca. 2h Kreuz, bei der wir nebenbei eine First 34.7 (auch mit Kevlarsegel) gnadenlos überholen und fast stehenlassen, kommt jetzt der große Moment des Parasailors. Das Setzen erfolgt mit dem Bergeschlauch und läuft problemlos. Dann geht’s los: Das Ding ist eine wahre Wundertüte und kann von 60° AWA bis komplett down also 180° gefahren werden, wobei bei wenig Wind das Kreuzen vor dem Wind deutlich schneller ist. Wir haben relativ wenig Wind und kreuzen mit ca. 90° Wendewinkel down. Die Segel werden dabei ähnlich geschottet wie auf den VOR: Wir fahren Downwind und das Groß ist beinahe dicht. Marc erklärt uns die ganze Zeit das Segel und wie man es am besten einsetzt. Bei sehr wenig Wind stört das Groß die saubere Anströmung des Riesenteils (125m² auf einem 35-Fuss-Boot), weswegen es ohne Groß deutlich schneller nach Lee geht.
Auf dem Rückweg lässt es sich dann unser Skipper nicht nehmen möglichst nahe an der Hafenmole von St. Tropez vorbeizufahren, ein schwerer Fehler. Wir müssen einige spannende Mannöver zwischen den großen Motorbooten fahren, Spinnaker hoch, Genua runter, Genua wieder hoch, Spinnaker runter und irgendwann hat die Vorschiffscrew dann den Überblick über die Schoten und Leinen verloren und das Ganze dauert gefühlt unendlich lange.
Der Blutdruck unseres Skippers ist mittlerweile bei geschätzten 250mm Hg und es ist unklar, ob die Röte in seinem Gesicht von der Sonne kommt oder andere Ursachen hat... Es klappt trotzdem alles und wir fahren zurück zu unserem Haus. Die Aktion hat aber allen gezeigt, dass noch einiges an Training und Feintuning notwendig ist. Am Haus angekommen, fangen wir auch gleich damit an.
Wir haben leicht achterlichen Wind und setzen die reffbare G3. Dann bereiten wir den Spinnaker vor zum Setzen (Skipper steht mit der Stoppuhr daneben) und setzen ihn dann auch. Das Riesenteil steht sofort und wir stellen fest, dass es gar nicht so wenig Wind hat. Die Klampen am Heck ächzen bedenklich und auf der Terrasse gegenüber wird vorsichtshalber schon mal der Tisch abgeräumt. Also das Teil schnellstens wieder runter und das Ganze nochmal und dann nochmal und nochmal,…Nach 2-3 Stunden hören wir dann auf mit Üben (der Blutdruck unseres Skippers ist auch wieder unter 100) und wir genießen das Abendessen und einige Biere und Longdrinks auf der Terrasse. Dabei sehen wir dann auch die Videos per Beamer auf der Terrassenmauer an, die wir im Laufe des Tages mit der Helmkamera aufgenommen haben. Es sind tolle und insbesondere lehrreiche Sequenzen der verschiedenen Manöver dabei. Darüber wird natürlich bis spät in die Nacht diskutiert.
So jetzt geht’s langsam zur Sache. 08:00 Uhr aufstehen, 09:00 Uhr Frühstück, 10:00 Uhr auslaufen. Unser Trainer Marc ist wieder mit an Bord. Die Winde in der Bucht sind mal wieder absolut typisch: Auf einer Seite ist quasi nichts, während es auf der anderen Seite 6-8 kn hat. Und auch die temporären Windwechsel sind beachtlich, quasi innerhalb weniger Minuten schläft der Wind ein oder frischt auf. Wir fangen mit Wendemanövern mit den beiden Genuas an, setzen dann den Leichtwindparasailor, machen Trimmübungen und fahren alle Kurse mit dem Segel ab. Dann Simulation der Leetonne: Parasailor runter, Genua hoch Schoten dicht und ab geht’s. Wieder etwas Höhe gewinnen, dann die Luvtonne. So trainieren wir bis ca. 15:00 Uhr. Die Tonnenmanöver klappen noch nicht so wie unser Skipper sich das vorstellt und er ist teilweise ganz schön angefressen.
Der Wind hat nun auf 15-20 kn aufgefrischt und wir packen den Starkwindparasailor aus. Bei 20 kn ist aber auch der Parasailor durchaus respekteinflößend, Halbwind oder gar noch höhere Kurse sind nun tabu, aber Downwind läuft das Boot jetzt irre. Wir fahren mit ca. 8-9 kn Fahrt platt vor dem Wind. Der Kurs ist allerdings extrem instabil und schwierig zu steuern und zu trimmen, so empfiehlt Marc etwa 150-160° TWA zu fahren, was wir dann auch machen und schon läuft es viel entspannter.
Gegen 16:00 Uhr beenden wir unser Manövertraining und kreuzen Richtung Port Grimaud zurück.
Nach dem Bergen der Segel passiert dann leider, was passieren musste: Nachdem der Skipper im Vorfeld den Vercharterer mehrfach genervt hat, dass ja kein Sprit im Tank ist (Dr. Pump ist ja diesmal nicht dabei), hat dieser den Tank dann auch mit maximal ein paar Litern Inhalt übergeben. Heute Morgen haben wir noch Diesel in Reservekanistern an einer Tankstelle gekauft, glaubten aber, dass der Sprit heute noch reicht. Er reicht nicht. Kurz vor der Hafeneinfahrt geht der Motor aus, peinlich. Marc ruft dann bei Arcadie an, die schicken innerhalb von 3 Minuten ein Powerboat raus, nehmen Markus an Bord und fahren zu unserem Haus, um die beiden Kanister zu holen. 10 min später geht es weiter als sei nichts gewesen. Überhaupt bieten sowohl Marc als auch Arcadie einen Super Service.
Nach Ankunft am Haus machen wir dann unser obligatorisches Crew-Foto und sofort geht die Arbeit weiter. Vier Mann fahren gemeinsam mit Markus nochmal raus, Markus zieht seine Tauchklamotten an und poliert ca. 1h lang das Unterwasserschiff. Dann kommt er ziemlich unterkühlt wieder aus dem Wasser, das Mittelmeer ist im Juni doch noch recht frisch. Parallel dazu kauft der Rest der Crew für die nächsten Tage ein (Es ist unglaublich, was vier schwarze Löcher der Nahrung anrichten können). Der Abend verläuft dann standardmäßig: Super Essen und erneut ein herrlicher Abend auf unserer Terrasse.
Nach einer diesmal langen Nacht heißt es heute wieder 8, 9, 10. Beim Frühstück diskutieren wir, ob die Zubringerregatta für uns Sinn macht. Für Freitag ist absolute Flaute vorhergesagt und auch für Samstag kein Wind. Es besteht also die Gefahr, dass wir den ganzen Freitag nach San Remo motoren, um dann am Samstag im Laufe des Tages festzustellen, dass wir nicht vor Ende der Deadline in St. Tropez ankommen und abbrechen müssen, um wieder nach Hause zu motoren - ein toller Gedanke. Nach einer ausführlichen Diskussion entschließen wir uns, es trotzdem am Freitag zu versuchen. Schließlich war die Wetterprognose während der letzten Tage alles andere als zuverlässig.
Danach laufen wir zum Training um Punkt 10 aus und fahren erneut alle Manöver - insbesondere die Luv- und Leetonnenmanöver. Nachdem am Abend zuvor im Hafen der Spi im Schlauch noch öfters gesetzt wurde und theoretisch noch einige Optimierungen durchgeführt wurden, klappt es nun deutlich besser, um nicht zu sagen fast perfekt. Alle sind happy, selbst der Skipper lacht wieder.
Gegen 15.00 Uhr beenden wir das Training und fahren zurück zum Haus. Bernd und Rainer setzen sich ins Auto und fahren nach San Remo um uns anzumelden (telefonisch war es leider nicht möglich einen zuverlässigen Kontakt herzustellen). Markus und der Rest der Crew fahren mit dem Boot nach Ste. Maxime um die Tauchflasche füllen zu lassen. Unmittelbar vor der Bucht wird dann gemeinsam der Rest des Bootsrumpfes gereinigt und poliert.
Um 21.00 Uhr essen wir gemeinsam zu Abend und planen für morgen ein 4,5,6. Der Wetterbericht sagt nach wie vor Flaute vorher, wir werden wohl komplett nach San Remo motoren müssen.
Live-Bericht aus Port-Grimaud
Alle sind pünktlich auf der Terrasse. Persönliche Klamotten, Ölzeug etc. wird an Bord gepackt. Wo ist eigentlich die Flaute? Selbst im Hafen windet es ganz ordentlich. Punkt 6 Uhr laufen wir aus und setzten in der Bucht das Groß (weißes Tuch) ins erste Reff. Die Genua lassen wir erst mal weg und machen trotzdem 6-7 kn Fahrt. Der Windmesser zeigt um die 15 kn. Auf Höhe von St. Tropez setzen wir auch die Genua ins erste Reff gesetzt und wir kreuzen aus der Bucht. Am Ende der Bucht ist der Wind auf mittlerweile 20kn und in Böen 25 kn angestiegen, die Welle ist ganz ordentlich. Zu allem Übel liegt der Kurs nach San Remo voll gegenan.
Das Boot zeigt uns nun seine negativen Seiten. Für diese Verhältnisse ist es nicht gebaut. Im Gegensatz zu allem, was wir bisher segelten sind die Bewegungen der A35 in der Welle extrem hektisch und unangenehm. (Wie war das doch noch mal in der Experimentalphysik, a=F/m und da die Masse m ja sehr klein ist, wird die Beschleunigung entsprechend groß). Dagegen ist die First 40.7 ein Flugzeugträger, allerdings ist in diesem Fall der Flugzeugträger deutlich angenehmer. Auch die Geschwindigkeit lässt jetzt deutlich nach, da das Boot in den Wellen stark gebremst wird. Wir müssen mit offeneren bauchigen Segeln bei weniger Höhe fahren um halbwegs voranzukommen. Auch ist das Boot extrem nass, Erinnerungen an YouTube Videos der VOR werden wieder wach, jetzt allerdings nicht so wünschenswert.
Gegen 09:00 Uhr sind wir auf halbem Weg nach St. Raffael und haben noch ca. 58 sm nach San Remo. Bei ca. 4 kn VMG ist das in 9 Stunden (um 18:00 Uhr müssen wir zum obligatorischen Briefing in San Remo sein) nicht zu schaffen. Nach kurzer Diskussion entschließen wir uns abzubrechen und in den Hafen zurückzufahren. Soviel zur Flaute… Die Starkwinderfahrung ist trotz allem sehr lehrreich und gibt uns morgen noch einiges an Arbeit und Training. Zu Hause angekommen gibst erst mal was Ordentliches zu essen.
Nachmittags fahren wir gemeinsam nach St. Tropez, trinken einen Pastis bei Senequier, schlendern hoch zur Zitadelle und genießen den herrlichen Blick über die Bucht. Nach einem Bier auf dem Markplatz fahren wir zurück zu unserem Haus, arbeiten die ToDo-Liste ab, essen und gehen früh schlafen. Für morgen ist wieder 8, 9, 10 angesetzt.
Wie geplant laufen wir nach gutem Frühstück um Punkt 8 Uhr aus. Der Wind ist super, der Wetterbericht stimmt mal wieder überhaupt nicht: Es ist strahlend blauer Himmel bei 100% Regenwahrscheinlichkeit, das gibt es nur an der Cote d’Azur. Wir üben nochmal alle Manöver, insbesondere die speziellen Reffmanöver die wir mit unserer A35 brauchen.
Am Nachmittag fahren wir dann einen der Standardkurse für Ost-Winde ab, mit weiterer Optimierung des Parasailors, insbesondere beim Setzen und Bergen. Alles verläuft nun sehr harmonisch und schnell. Die Crew ist inzwischen sehr gut eingespielt, das Training hat sich gelohnt. Am späten Nachmittag legen wir in St. Tropez an, um die letzten Formalitäten der Registrierung zu erledigen. Bei der Gelegenheit haben wir auch Kontakt zum zweiten ASK Boot, der Farr 40 und übernehmen teilweise deren Gepäck für die Zeit während der In-Shore Regatten.
Nach dem obligatorischen Pastis bei Senequier fahren wir dann zurück nach Port Grimaud, wo uns leckere Lammkottelletts mit gemischtem Tomaten-Gurkensalat erwarten. Bei einem letzten Bier schauen wir dann das deutsche Auftaktspiel der Fußball EM und gehen früh schlafen. Morgen geht’s nun richtig los!
Heute geht’s jetzt endlich los mit der Regatta. Nach dem Frühstück letzte Vorbereitungen und dann Punkt 9 Uhr legen wir ab. Wir schlagen außerhalb des Hafens noch unser Regattagroß an und motoren dann Richtung St. Tropez. Wind hat es ca 10-15kn aus West. Wir fahren in den Hafen und sehen, dass es gleich losgeht, also gleich wieder raus.
Unsere Gruppe startet als letztes, zuerst die Maxis, dann die schnelleren Boote und zuletzt die Boote der Klasse IRC B. Kurs ist B4, ca. 33sm lang. Wir starten um kurz nach 11 Uhr, der Start gelingt uns nicht besonders gut, wir sind zu weit hinten und kommen nicht weg. Wir waren einfach viel zu defensiv und vorsichtig, da ist noch einiges an Potential für morgen!
Nach dem Start dann eine kurze Kreuz zu einer zusätzlichen Luvtonne und dann auf Halbwind Richtung St. Tropez. An der Tonne dort dann das erste Mal richtig Action: Genua runter Spi hoch, klappt bestens. Dann unter Spinnaker vorbei an Rabiou nach LaMoutte. Sobald wir die Bucht verlassen gibt’s was auf die Mütze, wir müssen aufkreuzen bei 20-25 kn Wind. Jetzt wird‘s kompliziert, was tun? Die Kevlarsegel sind schon überlastet, wir müssten die weißen Schwerwettersegel setzen, aber das würde Zeit kosten. Wir warten erst mal ab, vielleicht wird’s ja wieder etwas weniger. Wir kreuzen Richtung Hyeres und der Wind wird nicht weniger, aber die Segel halten, G2 und Groß im ersten Reff (hat nur eines für Am-Wind).
An der Luvtonne, die wir perfekt auf Backbordbug erreichen, verlieren wir dann viel Zeit, weil ein anderes Boot sich verschätzt hat und kurz vor der Boje nochmal einen kurzen Holeschlag machen muss. Er wendet voll in uns rein, bleibt dann auch noch stehen, weil keine Fahrt mehr im Boot ist (Er hat vorher solange Höhe gekniffen bis er stand). Wir fahren das Manöver des letzten Augenblicks und wenden ebenfalls weg, sonst hätte es unweigerlich gekracht, Platz waren da keine 5 m mehr. Nachdem unser „Freund“ dann zurückgewendet hat, wenden wir mit und passieren beide die Luvtonne. Jetzt der nächste Hammer, der Rudergänger versucht zwar abzufallen, aber keine Schot geht auf, es kommt wie es kommen muss, er schießt in den Wind und wir müssen auch wieder anluven. Jetzt reicht es uns, wir rollen die Protestflagge aus.
Jetzt geht es Downwind hoch Richtung St. Raffael. Der Wind ist mittlerweile bei 30kn, an Spinnaker ist nicht mehr zu denken. Wir surfen auch unter Genua die Wellen herunter mit bis zu 16 kn laut Logge und 13.7 kn laut GPS. Der Wind frischt weiter auf und steht jetzt bei 35 kn. Wir sehen an Steuerbord ein Boot mit Mastbruch (Oooops…) und hören auch einen Mayday. Das Ganze wird sportlich!
Downwind sind 35 kn ja noch ok, aber nach der Leetonne kommt nochmal eine Kreuz zum Ziel. Also erneut die Frage, was tun? Wir warten erneut ab und der Wind nimmt dann auch tatsächlich wieder etwas ab, sodass wir es mit den Kevlarsegel wagen können. Nach der Leetonne auf der Kreuz wird es dann wieder sehr, sehr nass und unsere Lady zeigt sich wieder von ihrer unangenehmsten Seite, sie schlingert, sie bewegt sich extrem hektisch, sie schiebt Lage wie am Freitag nach San Remo. Aber wir haben alles im Griff und genießen das Rennen.
Dann kurz vor dem Ziel ist es der G2 dann doch zu viel. Der Rudergänger lobt nach einer Wende die Genuaschoter: „So steht sie super!“ Wenige Sekunden darauf macht‘s Peng und das Schothorn ist weg. Die Vorschiffscrew incl. Pit arbeiten phantastisch, Sekunden später ist die G2 runter und die „weiße“ Schwerwettergenua oben. So segeln wir dann Richtung Ziel und gehen kurz nach 4 Uhr durchs Ziel.
Jetzt schnell zurück zu unserem Haus, wir müssen schließlich die Genua reparieren. Wir rufen sofort Marc an und jetzt läuft wieder alles gewohnt professionell. Marc kommt eine halbe Stunde später zu uns, wir trinken zusammen ein Glas Sekt, dann fahren Marc und drei Crewmitglieder in die Segelwerkstatt und eine halbe Stunde später sind sie mit reparierter G2 wieder zurück. Den Abend verbringen wir in St. Tropez, den Protest lassen wir sein, was soll‘s, das andere Boot war eh in einer anderen Klasse gemeldet.
Punkt 9 Uhr laufen wir aus, Wind direkt nach der Hafenausfahrt: 10-12 kn WNW, klassischer Mistral. Das sieht nach einem angenehmen entspannten Segeltag aus! Wir legen noch kurz bei den anderen Regattabooten in St. Tropez an und schauen beim Regattasekretariat vorbei. Es gibt nichts Neues.
Um 10 Uhr wird die grüne Flagge gehisst, also alles raus aus dem Hafen. Kurs für uns ist heute A4 mit Luvtonne. Den Start vermasseln wir mal wieder, wir kommen erst im letzten Drittel über die Startlinie, der Skipper traut sich bei den mittlerweile 15-20 kn Wind nicht so richtig rein ins Getümmel. Auf der Startkreuz läuft dann alles bestens und wir machen wieder einige Plätze gut bis zur Luvtonne.
Dann geht die Kreuz weiter Richtung St. Tropez und vor der zweiten Luvtonne geht alles glatt. Unser Parasailor geht auch unmittelbar danach hoch, das klappt jetzt wie am Schnürchen - das Training hat sich gelohnt! Unter Parasailor fahren wir in herrlicher Rauschefahrt zum Lion de Mer vor St. Raffael. Auch hier klappt alles perfekt. Ca. 2 sm vor der Leetonne schralt dann der Wind, wir bergen den Parasailor und setzen die G2.
Am Lion vorbei fahren wir dann wieder zurück zum nächsten Wegpunkt in der Bucht von Pampelonne. Auf der Kante ist jeder bester Laune, das ist ja wie schönstes Urlaubssegeln, strahlend blauer Himmel, 20kn Wind, mäßige Welle und angenehme 25-30°C. So segeln wir bis auf halbem Weg dann das gemütliche Segeln abrupt beendet wird: Der Wind dreht um 30° recht und aus dem Anlieger wird eine Kreuz. Zudem frischt er auch noch auf und wird sehr böig. Wir binden das Groß ins erste Reff und segeln weiter. Es wird aber nun immer ungemütlicher, die Böen erreichen mittlerweile 30 kn und auch die Welle wird höher. Was tun mit der G2? Die 30 kn sind zuviel für das Segel, in den Schwachwindphasen ist sie aber genau richtig. Die Entscheidung wird uns dann aber schnell abgenommen, zwei Segellattentaschen haben sich abgelöst und schlagen gegen das Segel, die Vorschriffscrew hat vorbildlich aufgepasst. Sofort ist das beschädigte Segel unten und die „weiße“ G3 oben. Dann frischt der Wind weiter auf, in Böen sind es jetzt 35 kn und die Kreuz wird auf unserem Leichtwind-Racer ziemlich ungemütlich und nass! Wir reffen die Genua ein, klappt auch alles bestens. Beim Zusammenwickeln des losen Tuches in die Reffbändsel ist die Vorschiffscrew dann quasi im Schwimmbad, die halbe Zeit sind die beiden unter Wasser. Dem Vorschiffsmann platzt der Kragen. In aggressivem Ton brüllt er nach achtern: „Wenn ihr nicht wollt, dass wir beide über Bord gespült werden, dann segelt den Kahn gefälligst mal 10 s aufrecht, bis wir die Bändsel festgeknotet haben“. Der Tonfall beunruhigt unseren Skipper dann doch etwas, er lässt die Schoten fieren und nimmt Druck aus den Segeln, das Boot segelt relativ aufrecht bis die Bändsel fest sind.
Nach dem Runden der Luvtonne geht es dann vorbei an LaMoutte und Rabiou zum Ziel, mit zwei drei Kreuzschlägen. Um kurz vor vier gehen wir durchs Ziel. Wir ersegelten den 33. Platz von 56 Startern, wobei nur 36 die Regatta auch beendeten, der Rest hat abgebrochen.
Zu Hause angekommen bringen wir die G2 sofort wieder zu Marc und kontrollieren das Segel-Equipment. Die Vorschiffscrew schlägt spontan ein neues Geschäftsmodell mit der Webseite www.schaekel-sucht-bolzen.de vor. Das eine oder andere Stück Metall ging während der letzten Tage verloren. Um 18:00 Uhr fahren wir nach St. Tropez zur Party. Vier Crewmitglieder erklären sich bereit 45 min vor Einlass anzustehen um uns allen einen Sitzplatz an einem Tisch zu sichern, der Rest der Crew dankt ganz herzlich!!!
Das Ambiente auf der Zitadelle über St. Tropez ist wieder phantastisch, doch dann kommt Rasmus und versaut die Party: Es beginnt heftig zu regnen, das obligatorische Feuerwerk wird noch gezündet und die Party dann beendet. Wir überlegen ob wir in St. Tropez noch etwas trinken, entscheiden dann aber nach Hause zu fahren, die nassen Klamotten zu wechseln und früh schlafen zu gehen, wir sind alle mehr oder weniger groggy.