Um es dem Norden mal so richtig zeigen, haben wir 2006 die Nordsee unsicher gemacht. Besondere Highlights waren die Regatten "Rund Helgoland" und "Rund Skagen".
Bei der Nordseewoche waren Ralf Seeland als Skipper, Friedbert Mathes (Taktiker und Navigator), Dominic Buchholz, Carolin Sorg, Felix Meermann, Arno Zobel, Tobias Dill und Lars Dechering dabei.
Auf das Abenteuer "Rund Skagen" haben sich Friedbert Mathes (Skipper), Thorsten Fastenau (Taktiker und Navigator), Arno Zobel, Ralf Seeland, Anke Rademacher, Markus Fritz, Harald Debelak und Jürgen Sayer eingelassen.
Es ist 0430, aufstehen für die erste der insgesamt vier Wettfahrten, die sich die ASK für die Nordseewoche 2006 vorgenommen hat. Diesmal startet die ASK anstatt, wie gewohnt in der Königsklasse IMS 1, in der Klasse ORC 2. Auch dieses Jahr hat der Verein eine First 40.7 als Regattayacht gechartert, allerdings mit kurzem, zwei Meter tiefgehenden Kiel; eine Cruiser-Version eben. Und deshalb wird in der „Amateurklasse ORC“ gestartet. In dieser Klasse hängen die Trauben nicht so hoch wie in der Profiklasse IMS.
0745: Mit einer geringen Verzögerung - der Nebel hat sich genauso schnell gelichtet, wie er gekommen war, wird der Start durchgeführt. In all dem Durcheinander von etwa 15 Booten erwischen wir einen recht guten Start. Schnell sind wir deshalb aber noch lange nicht, denn es herrscht fast Flaute und wir müssen den Strom gegen an. Dennoch können wir uns freimachen und segeln etwa an vierter Position. Neben dem tiefen Fahrwasser der Berufsschifffahrt, in dem der Strom stärker setzt als im Flachen, kommen wir zwar langsam, aber stetig voran. Wir passieren mehrere Gefahrentonnen, die auf Untiefen der Elbe hinweisen. Als sich an einer Süd-Tonne auf der Passierseite ein Gedränge bildet, will Ralf versuchen, nördlich, also über die Untiefe hinweg, vorbeizukommen. Wir gleiten noch auf das Kardinalzeichen zu, als 5m davon entfernt ein Bootsführer aus dem Pulk eher lässig meint: "Passt mal besser 'n bisschen auf, da hat's mächtig Steine!" PENG! Und schon sitzt der Kahn fest. Jetzt bloß keine Panik. Kaputt ist wohl nichts, dafür waren wir zu langsam unterwegs. Wir trimmen alle auf eine Seite, aber die Schräglage reicht nicht, das Schiff bewegt sich nicht. Dominik klettert auf den ausgestellten Großbaum, um einen möglichst langen Hebel zu erreichen. Aber erst als sich noch Lars und ich mich zu ihm gesellen und Dominik zu wippen beginnt, gelingt es, das Boot frei zuschaukeln. Mittlerweile ist das Feld natürlich komplett an uns vorbeigezogen. Ein Konkurrent, den unsere missliche Lage köstlich amüsierte bis er sich selber festgefahren hatte, ist auch wieder frei. Die "Rave" wird uns im weiteren Verlauf immer wieder zu Zweikämpfen anspornen. Die nächsten 4 Stunden sind weniger spannendes Meilenfressen. Der Wind nimmt langsam zu, ab Brunsbüttel ist er kräftig genug für richtiges Segeln. Hatten wir im Flautengebiet noch mit fast allen Segeln experimentiert, fahren wir nun auf einer astreinen Kreuz. Bei mittlerweile recht kräftigem Gegenstrom fährt Ralf nahe an Seichtstellen heran, die zwar eine gewisse Gefahr bedeuten, aber eben auch einen viel geringeren Strom aufweisen.
So arbeiten wir uns wieder an unser Hauptfeld heran und schaffen es sogar, noch den einen oder anderen zu überholen. Noch im Zielsprint liefern wir uns ein packendes Duell mit der "Rave" (eine Yacht aus der IMS 2 Gruppe) aus dem wir mit einem Vorsprung von 4 Sekunden (nach 10,5 Stunden Fahrzeit) als Sieger zwischen uns hervorgehen. Nach der Verrechnung sind wir in unserer Klasse zwar 6. von 8 Startern, aber dieses Duell war schon Rennfeeling vom Feinsten! Gewinner wird in unserer Gruppe die „Röde Orm“, eine X 332.
Nach unserem Missgeschick (Grundsitzer), Pech (Genua-Achterliek gerissen) und der daraus resultierenden mageren Platzierung gestern, kann das Motto für heute nur lauten: Neues Spiel, neues Glück!
0600: Start ist heute erst um 0800, so dass wir uns erlauben können, eine Stunde länger zu schlafen. Nachdem noch gewisse Unstimmigkeiten geklärt worden sind (alle stehen bitte gleichzeitig auf, beteiligen sich gemeinsam an den Vorbereitungen und werden gemeinsam fertig) und das Schiff startklar gemacht worden ist, kann es eine knappe halbe Stunde vor Start losgehen.
0745: Die angenehm provinzielle Gemütlichkeit von Wedel gibt es hier in Cuxhaven nicht. Das Starterfeld umfasst zum Einem eine ganze Menge mehr Boote, außerdem sind die Wetterbedingungen geeignet, für Hektik zu sorgen (zumindest aus Sicht eines Regattanovizen, der ich bin). Der Wind setzt aus Nordwest mit 5-6 Stärken, so dass man schon zu tun hat, den Überblick nicht zu verlieren und in keine Kollision verwickelt zu werden.
0810: Auch in Cuxhaven fahren wir in der zweiten Startergruppe. Wir kommen gut weg, liegen mit drei anderen Booten etwa gleichauf an der Spitze, müssen dann aber wider Erwarten Boden abgeben. Traditionsweise kommen den ASK-Crews nämlich Starkwindbedingungen eher entgegen.
0830: Zunächst führt uns unser Kurs an den Backbordmarkierungen des Fahrwassers entlang. Der Trimm funktioniert immer besser, Friedbert - unser Navigator/Taktiker - leistet ganze Arbeit. Wir holen wieder zur Spitze auf und stellen zufrieden fest, dass wir auf dem besten Wege sind, das erste Startfeld einzuholen. Beim Passieren der Fahrwassertonne 26 holen wir uns dann unseren morgendlichen Adrenalinstoß, als wir im Duell mit einer anderen Yacht die Tonne aus der Nähe begutachten dürfen - 5cm werden wohl noch Luft gewesen sein....
Kein Getrampel an Bord, aber eine Menge Kletterei vor und nach dem Landgang. Wir haben ziemlich Hunger, wollen aber erst wissen, welchen Platz wir gemacht haben. Zunächst liegen noch keine Ergebnisse vor, wir werden auf die Folter gespannt. Dann aber ist es raus: Dritter Platz! Wobei Platz 1 zweimal an Punktgleiche („Jana van der Geest“ und wieder die „Röde Orm“) vergeben wird. Besonders begeistert uns, dass wir in unserer Wertungsgruppe die schnellste gesegelte Zeit erreicht haben, erst nach Berücksichtigung unserer Vermessungsdaten liegen wir auf Platz drei von 17 Startern. Recht euphorisch geht es gegen neun zur Preisverleihung. Der Hochstimmung gar nicht angemessen ist die Trophäe, die wir überreicht bekommen: ein langweiliges Trinkglas. Der Moderator „outet“ uns schließlich als Karlsruher und wundert sich anerkennend, dass Leute mit so einem Dialekt überhaupt teilnehmen dürfen. Das sorgt natürlich für Heiterkeit bei den Gästen, fördert unseren Bekanntheitsgrad und lässt uns schnell das bescheuerte Glas vergessen.
Trotz des Fests gestern Abend steht heute natürlich das nächste Rennen an. Lars und ich haben, genau wie Friedbert und Ralf, in den beiden Hotelzimmern gepennt, die für die ASK reserviert worden sind. Wir hatten vereinbart, dass dieses Privileg den "Rund-Skagen-Fahrern" zukommen sollte. Dennoch kann wohl auch von uns keinem das Attribut "ausgeschlafen" zugesprochen werden. Dafür waren die Nächte einfach viel zu kurz...
0730: Ralf muss zur Steuermannsbesprechung für die heutige Regatta "Rund Helgoland". Lars und ich gehen schon zum Boot und nehmen auf dem Weg Brot und Semmeln mit. Wir können dabei auch einen Blick auf das offene Meer werfen. Ziemliche Wellen und wie sich später herausstellt 30kn Wind. Langweilig wird es jedenfalls nicht werden...
Als wir gegen 0800 am Boot ankommen, ist das Deck bereits klariert und der Frühstückstisch gedeckt. Die kurzerhand besorgten hart gekochten Eier werden mit großem Hallo gewürdigt. Die Zeit ist jedoch mal wieder knapp, das Essen kurz. An Deck bereiten Caro und ich die Segel vor: Fock und erstes Reff im Groß, mehr wird heute nicht gehen. Dann geht es los. Das Getümmel ist bei diesem Seegang noch hektischer und unübersichtlicher. Der Wind heult und die Segel knattern so laut, dass manchmal die Verständigung schwierig ist. Kurze Zeit herrscht Unklarheit über unsere Startgruppe, wir sehen kaum Boote aus unserer Gruppe. Dann aber ertönt das Startsignal, wir kommen dieses Mal nicht ganz so gut weg und es geht auf eine harte Kreuz zwischen den beiden Helgoländer Inseln nach Nordost. Der Trimm und die Segelwahl erweisen sich zwar als richtig, wir müssen jedoch ganz schön mit den 3-4m hohen Wellen kämpfen. Da wir immer noch kein anderes Boot unserer Startgruppe entdecken können, fällt uns eine Positionseinschätzung schwer.
Der Streckenverlauf gibt jetzt einen südöstlichen (Raumwind-)Kurs vor, der uns zwar schnell wieder zurück zur Insel und an ihr vorbeibringt, der aber auch unangenehm zu steuern ist, weil die schräg achterlich anlaufenden Wellen das Boot schnell aus dem Kurs drücken und Ralf alle Hände voll zu tun hat, den Kurs zu halten.
Kurz vor der südlichen Wendemarke holen wir unseren obligatorischen (ersten) Aufreger, als ein anderes Boot auf gleicher Höhe läuft und uns von unserem Kurs ab- und in ein Sperrgebiet hineindrängen möchte. Das nicht nur völlig unnötige Manöver - denn wir segeln nicht in der gleichen Wertung - ist auch sehr gefährlich, da sich die Boote bei diesem Seegang nicht hundertprozent genau steuern lassen und Bug oder Heck immer wieder ausbrechen. Nach mehrmaligen Hinweisen und nachdem es einmal fast zur Berührung unseres ausgestellten Großbaums mit deren Rigg gekommen ist, beschließen wir Protest einzulegen und hissen die rote Flagge.
Nach Passieren der Wendemarke geht es auf Halbwindkurs wieder an der Insel vorbei. Wir diskutieren noch den Fall von gerade eben, als mit einem lauten Knall die Backbord-Fockschot bricht. Schnell eine Wende gefahren und der Schaden wird fix von Caro repariert. Über Funk erfahren wir, dass immer mehr Schiffe wegen des Wetters aufgeben, bei einem sei sogar der Mast gebrochen. Nicht gerade zur Entspannung trägt die telefonische Nachricht von Jürgen - einem Rund-Skagen-Fahrer - bei, dass er nicht wie geplant heute nachmittag mit der Fähre aus Hamburg kommen kann. Die seien nämlich alle wegen schwerem Sturm (Windstärke 10) abgesagt. Trotzdem wollen wir auf keinen Fall aufgeben. Dass die Bedingungen aber in der Tat grenzwertig sind, zeigen ein weiterer Schotbruch bei uns und ein weiterer Mastbruch auf einem anderen Boot. Richtig Glück haben wir aber, als Caro bei einem Wendemanöver den Halt verliert, übers Vorschiff fliegt und zum Glück in der Reling hängen bleibt. Klatschnass wie sie ist, bleibt sie aber wenigstens unverletzt.
Etwa zur gleichen Zeit entschließt sich die Besatzung des in Helgoland stationierten Seenotrettungskreuzers "Hermann Marwede", nicht mehr im Hafen auf immer neue Einsätze zu warten, sondern gleich die wenigen verbliebenen Regattayachten auf Begleitfahrt zu sichern.
Wir fahren das Rennen dann tatsächlich noch zu Ende, sind im Hafen aber alle heilfroh, es überstanden zu haben. Nach einer kurzen Verschnaufpause klarieren wir das Deck, während sich Ralf aufmacht, unseren Protest vorzutragen. Natürlich hat er nichts gebracht, bei Aussage gegen Aussage. Die unflätigen Ausfälle, zu denen sich der gegnerische Skipper hinreißen ließ, haben aber wenigstens gezeigt, dass wir ihn ins Schwitzen gebracht haben.
Die eigentliche Bombe geht dann aber bei der Siegerehrung hoch: Dass wir während des Rennens kein anderes Boot aus unserer Startgruppe ausmachen konnten, war kein Wunder: von achtzehn gemeldeten Booten sind nur acht an den Start gegangen. Von denen haben dann sechs zwischendurch aufgegeben. Macht den sensationellen zweiten Platz hinter der "Pyleia", einer One-Off. Nicht mal die „Röde Orm“ hat sich auf das Rodeo eingelassen. Nach einem ausgelassenen Fest geht dieser aufregende Renntag zu Ende. Morgen dann also auf nach Skagen ...
0800 Uhr. So, heute geht es also auf die Langstreckenragatta "Rund Skagen". Der Startschuss wird am Nachmittag gegen vier Uhr fallen, wenn die "Helgoländer Acht", das letzte der vier Kurzstreckenrennen der Nordseewoche, zu Ende gegangen sein wird. Wer die Hoffnung hatte, nach der langen und verdienten Party gestern, heute etwas länger schlafen zu können (der Dekadenz, an "Ausschlafen" zu denken, wollen wir uns gar nicht hingeben), sieht sich anderen Realitäten gegenüber. Hier in Gestalt von Friedbert, unserem Organisator und Schiffsführer für die kommenden Tage. Unerbittlich mahnt er zu frühem Aufstehen. Nicht zu unrecht, wie sich noch zeigen wird.
Neben den üblichen Vorbereitungen und Klarierungsarbeiten - ganz wichtig: Frühstück; dann Schiffsausrüstung, Skipperbesprechung usw. - gibt es heute zusätzlichen Zeitbedarf. Ein Teil unserer bisherigen Crew verlässt das Schiff: Tobi, Felix, Dominik, Caro und Lars, den eine alte Knieverletzung plagt, werden bei Rund Skagen nicht mehr dabei sein. Sie müssen noch ihr Gepäck von Bord bringen und sich um eine Transportmöglichkeit von Helgoland zum Festland kümmern. Auch der Rest der Crew, also ich, Friedbert und Ralf haben damit zu tun, unsere Klamotten aus den Hotelzimmern zu sortieren und auf die "De sa'ilma" zurückzubringen. Desweiteren müssen die neuen Crewmitglieder, die gestern mit der Fähre angekommen sind, endgültig auf dem Schiff Quartier beziehen. Harald, Jürgen - der beinahe nicht mehr rechtzeitig auf Helgoland angekommen wäre, weil sein ursprünglicher Transit gestern wegen Sturmwarnung ausgefallen ist - Markus und Anke. Thorsten, unser einziges Nordlicht an Bord und wahrscheinlich der einzige Grund, warum wir für die Nordseewoche eine Akreditierung bekommen haben, war schon gestern zusammen mit dem Proviant an Bord gekommen. Unfassbar, wieviel Zeit man benötigt, die gefühlten zehn Tonnen Lebensmittel auf dem Schiff unterzubringen und das persönliche Gepäck nochmal auf das Notwendige hin zu überprüfen: Wieviele Paar Socken braucht man wirklich für vier Tage? Eine Frage, die lebhaft mit dem jeweiligen Kojengenossen diskutiert wird und zu den unterschiedlichsten Ergebnissen führt.
Gerade das Thema Gewichtseinsparung hält - in der Rückschau betrachtet - für künftige Unternehmungen noch Optimierungspotential bereit: Bevor man sich allzu engagiert der Problematik von zwei oder drei Paar Socken widmet, sollte man womöglich mehr Augenmerk auf die - zugegebenermaßen schwierig abzuschätzende - Frage legen, wieviel Proviant mitzunehmen ist. Wir haben uns nämlich hier diesmal deutlich verschätzt und schätzungsweise 100kg zuviel dabei gehabt (Trinkwasser eingerechnet). Diese Größenordnungen spielen für die Wettbewerbsfähigkeit dann durchaus schon eine Rolle ...
Nun, hier in Helgoland heißt es erstmal ebenjenes Material zu verstauen. Relativ spät sind wir dann mit den Arbeiten fertig und gehen an Land noch einen Happen essen. Der Pannfisch wird gerade serviert, als die "Startverschiebung"-Flagge am Haus der Rennleitung eingeholt wird. Auf Nachfrage erfahren wir, dass bereits in 45 Minuten gestartet wird. Hopplahopp das Essen runtergewürgt und aufs Schiff gehastet. Eine der letzten, die den Hafen verlassen. Hektisch Groß und Genua gesetzt. Dann ein Böllerschuss. Ein Startsignal? Oder die 1-Minuten-Ankündigung? Welche Startgruppe ist überhaupt dran? Chaos. Irgendwann kapieren dann auch wir, dass unser Start schon durch ist und wir eigentlich schon unterwegs sein sollten ... Dann also das Feld von hinten aufrollen. Bitte sehr. Das Problem dabei ist nur: Die anderen fahren auch ganz gut und die Aufholjagd gestaltet sich schwierig.
2300 Uhr. Es wird langsam dunkel. Wir haben ungefähr sechs Stunden Kreuzen gegen einen Nordnordwest 4-5 hinter uns. Die Bedingungen sind im Vergleich zu gestern zwar viel handsamer, aber immer noch geeignet, einen nervösen Magen in Missstimmung zu versetzen. Meiner gehört zum Vorstand der "Interessenvereinigung nervöser Mägen Deutschlands". So kann ich mich auf meiner Wache, die ich zusammen mit Ralf, Thorsten und Jürgen habe, nur mit geteilter Aufmerksamkeit der Bootsführung widmen.
Die Wachen sind in einem 6-6-4-4-4-Rhythmus eingeteilt: Um 0800 Uhr beginnt Wachmannschaft 1 für sechs Stunden, dann Wache 2 für sechs Stunden. Um 2000 Uhr wieder Wache 1 für vier, Wache 2 für vier und wieder Wache 1 für vier Stunden. Die Nachtwachen werden einem nicht so lang und am nächsten Tag wechselt der Rhythmus. Meine Crewkollegen leisten gute Arbeit und wir können Zeit auf die Konkurrenz gutmachen, einige sogar überholen.
Der Dienstag ist pure Meilenfresserei. Bei unveränderten Wind- und Wellenbedingungen hart nach Norden kreuzen. Per SMS erfahren wir, dass ein Boot mit Ruderschaden ausscheidet.
Der Mittwoch verspricht Abwechslung. Wir werden heute den nördlichsten Punkt der Tour, das Schifffahrtszeichen "Skagen Nord" runden und in die Ostsee einlaufen. Die letzten Meilen vor der Skagen-Tonne fahren wir auf einem nordöstlichen bis östlichen Kurs. Wir setzen unseren Spinnaker. Der nun folgende Spikurs verlangt dem Steuermann alles ab. Der über mehrere Tage anhaltende Wind hat einen üblen Seegang aufgebaut. Der Abstand zu unseren Verfolgern vergrößerte sich. Exakt um 1203 Uhr passieren wir die Untiefentonne "Skagen Nord". Gebührend und ausgelassen wird mit einer Sektflasche Salut geschossen und angestoßen. Je weiter wir in den Skagerak einfahren, desto geringer werden die Einflüsse der Nordsee. Die Wellenhöhe nimmt ab, der Wind leider auch. Gegen Abend bekomme ich mit meiner Wache plötzlich Blutdruck als bei Schwachwind eine Dufour 44 ohne große Mühen an uns vorbeizieht. Das geht natürlich nicht an, also intensive Strategieanalyse. Erstmal die zwischenzeitlich wieder gesetzte Genua gegen den Gennaker getauscht. Zu wenig Effekt. Also den Spinnaker rauf. Das bringt mehr, allerdings fahren wir einen recht spitzen Kurs, d.h. das Ballonsegel fällt sofort ein, sobald der Wind durch einen leicht veränderten Kurs etwas mehr von vorn kommt als notwendig. Wir können trotzdem nicht verhindern, dass uns die Dufour vorerst stehen lässt. Zum Glück ist bald danach Wachwechsel - mit unserem Getrampel an Deck haben wir praktischerweise gleich den Weckdienst miterledigt - und wir können das ganze Elend an Friedbert und seine Crew übergeben. Mit dem Wachwechsel frischt der Wind auf, und wir kommen gut voran.
Der Donnerstag hält ein weiteres Highlight unserer Reise parat. Die Durchfahrt unter der mit 1600m Spannweite größten Hängebrücke Europas über den Großen Belt. Wie auf Bestellung kommt auch die Sonne heraus. Zeit für Fotos.
Die Wellenhöhe ist mittlerweile sehr stark zurückgegangen, wir schippern gemütlich auf Langeland zu. Buchstäblich mit Erreichen der Insel schläft der Wind nahezu ein. Die Dufour, mittlerweile wieder in Schlagdistanz, fährt sich vor uns in der Grütze fest, dümpelt vor sich hin - Flaute. Wir fahren etwas weniger unter Land und können in Zeitlupentempo vorbeiziehen.
Etwas voraus sehen wir eine Strömungskante. Welche Seite wird uns Strom entgegensetzen, welche uns vorwärts schieben? Wir entschließen uns, auf der landzugewandten Seite unser Glück zu versuchen. Volltreffer! Mit zusätzlichen 1,5 Knoten geht es nach Süden voran. Wie sich unheilvoll herausstellen wird ein sogenannter Neerstrom, d.h. eine lokale Strömung, die der grundsätzlich vorherrschenden entgegengerichtet ist.
Der Eigenart lokaler Phänomene folgend setzen sich früher oder später aber wieder die grundsätzlichenen Bedingungen durch. In unserem Fall recht bald mit Queren der nächsten Strömungskante. Der uns entgegengesetzte Strom packt uns wie ein Bremsfallschirm. Trotz leichtem Wind machen wir keine Fahrt mehr über Grund. Wenn jetzt der Wind einschläft, treiben wir rückwärts. Der Wind schläft natürlich kurz darauf ein. Normalerweise heißt jetzt sofort das Kommando "Anker setzen!". So auch bei uns. Normalerweise rasselt dann sofort der Anker an seiner Kette auf den Meeresboden und hält das Schiff wenigstens auf Position, wenn eine Fahrt nach vorn schon nicht möglich ist.
Nicht so bei uns. Um eine bessere Gewichtsverteilung im Boot zu erreichen, haben wir den schweren Anker von seinem Ankerkasten in die Bilge der Bugkoje zurückverlegt. Schlau für schnelle Fahrt nach vorn, nicht schlau bei drohendem Treiben rückwärts. Bis die 15 Kilo Anker samt 18 Meter Edelstahlkette und 25 Meter Tau an Deck einsatzbereit sind, passieren wir denn auch einen Konkurrenten nach dem anderen im Rückwärtsgang. Als dann irgendwann auch unser Anker seinen Dienst verrichtet, messen wir in der Spitze fast vier Knoten Gegenstrom. Das ist mehr, als wir je in der Nordsee Gezeitenstrom registriert haben! Der Grund für das ablaufende Wasser ist die Nordwest-Wind-Lage, die bis vor einigen Tagen vorherrschte und die große Mengen Nordseewasser in die Ostsee hineingedrückt hatte, die jetzt wieder abfließen.
Es ist mal wieder Wachwechsel, Friedbert übernimmt die Ankerwache. Allerdings nicht für lange. Denn schon bald frischt der Wind auf, wir könnten gegen den Strom an. Vorerst ist jedoch der Konjunktiv angebracht, denn es gibt da noch diesen Anker. Der, sich in seiner Rolle gefallend, denkt gar nicht daran, sich schon so bald wieder an Deck holen zu lassen. Dass wir die elektrische Ankerwinsch - genau: zur Gewichtsreduktion - an Land gelassen haben, stärkt nicht gerade unsere Argumentation. Also muss er von Hand zur Kooperation überredet werden. Nach schier endlosem Geochse gegen einen widerborstigen Anker, der sich immer noch an einer unserer Meinung nach komplette Seegraswiese „festhält“, schaffen wir es dann bei 2 Knoten Strom irgendwann das Unmögliche und kommen - ohne Motor! - schließlich frei. Die Konkurrenz hat ihre Technik besser im Griff und ist schon fast am Horizont, als wir uns wieder in Richtung Kiel in Bewegung setzen.
Die restliche Strecke an Langland hinunter ist auch mit dem jetzigen frischen Wind zäh. Aber sobald wir offenen Seeraum erreichen geht die Post ab. Bei Sonnenaufgang ist der Leuchtturm von Kiel, der die Ziellinie markiert, schon sichtbar. Um 0522 Uhr wird unser Zieldurchgang registriert. Fotos und Glückwünsche.
In der Marina des Kieler Yacht Clubs wartet nach einer befreienden heißen Dusche ein fabelhaftes Frühstücksbüffet, das wir bei herrlichem Sonnenschein im Freien bei Windstille einnehmen können. Kaum zu glauben, wo wir keine 48 Stunden vorher in der Nordsee noch so dermaßen gefroren hatten. Hier erfahren wir auch, dass die "Rave", mit der wir uns ja schon auf der ersten Vorregatta von Hamburg/Wedel nach Cuxhaven gemessen haben, den ersten Platz in unserer Klasse gemacht hat. An der Skagen-Tonne war sie nur vergleichsweise geringe 60 Minuten vor uns, konnte allerdings ohne Flauteloch mit 8 Knoten Fahrt an Langeland vorbeiziehen. Jetzt trennen uns fast 12 Stunden und 11 Plätze. Das ist natürlich bitter. Trotzdem liegt ein erlebnisreiches Rennen, das fast alles zu bieten hatte - außer Regen, zum Glück! - hinter uns. Beim nächsten Mal ist mit etwas besserer Technik bestimmt noch mehr drin ...
Am Ende ersegelten wir einen beachtlichen 15. Platz von 33 Startern in der Klasse ORC C, bzw. ein 37. von 64 Startern in der Gesamtwertung mit allen Regattayachten, die auch die Boote der Gruppe IMS enthielt.
Alle ausführlichen Ergebnisse im Archiv auf www.nordseewoche.de.
Autor: Arno Zobel
Ergebnisse einzelne Wettfahrten:
HH Wedel – Cux: 6./8 ORC
Cux – Helgoland: 3./17 ORC
Helgoland Rund: 2./8 ORC
Rund Skagen: 15./33 ORC Gesamt