v.l. oben: Niels Linge, Ralf Seeland, Lars Dechering, Felix Meermann, Harald Debelak, Tobias Utz, |
Auch in diesem Jahr fand vom 30. Juli bis zum 6. August im englischen Cowes, auf der Isle of Wright, die bekannte Cowes Week statt. Sie gehört zu den weltweit bekanntesten Kurzstreckenregattaserien in der Welt. Eine Woche lang werden die Crews täglich auf einen neuen anspruchsvollen Kurs innerhalb des Solents geschickt, und hatten, ganz typisch für das englische Wetter, mit so ziemlich jeder Widrigkeit zu kämpfen, welche für dieses Segelrevier charakteristisch sind. Über 1000 Yachten und Crews treten jedes Jahr an, um sich miteinander zu messen. Die Regatta wird jedes Jahr seit 1826 – unterbrochen nur durch die beiden Weltkriege- Anfang August vor Cowes gesegelt. Somit zählt sie mit Abstand zur ältesten Regatta in der Welt. Die Regatten werden auf dem Solent und rund um die Isle of Wight im Süden Großbritanniens ausgetragen. Die Cowes Week begann mit sieben Yachten am 10. August 1826. Heute heißt sie Skandia Cowes Week. Für alle Yachten mit Rang und Namen ist die Teilnahme praktisch eine Pflichtveranstaltung. Ausrichter sind Cowes Combined Clubs in Cowes.
Zum ersten Mal nahm auch eine Crew der ASK unter den beiden erfahrenen Skippern Friedbert Mathes und Olaf Kaspryk –diesmal als Taktiker- an diesem Event teil. Zu diesem Zweck charterte der Verein in Frankreich eine Benétéau First 40.7, die kurzerhand von den Mitgliedern auf den Namen „ask“ umbenannt wurde. Eine Überführungscrew unter Skipper Friedbert Mathes segelte die Yacht innerhalb von zwei Wochen ins englische Southampton, wo die Yacht dann von der Regattacrew in der „Ocean Village Marina“ übernommen wurde. Dieses Stück in zwei Akten war besetzt durch Friedbert Mathes als Skipper und Ansager, Olaf Kaspryk als Taktiker, Navigator, Stratege und Co-Skipper, Ekkehard Krämer als Timmexperte, Ralf Seeland als Meister der Großschot und des Trimms, nachdem Ekkehard nach der ersten Wettfahrt Cowes verlassen musste, Anke Rademacher mit der musikalischen Unterstützung am „Klavier“, die Muskelpakete Felix Meermann und Harald Debelak an den Winschen, Lars Dechering als bösartiger Abzieher und Floater (Springer), Nils Linge mit einer harten Zeit am Mast und –last but not least- ständig gewaschen auf dem Vorschiff, Tobias Utz. Sportlicher Ergeiz zeichnete die zusammengewürfelte Gruppe aus Akademikern und Studenten aus, die in der angetretenen Konstellation zum ersten Mal miteinander segeln wollten. Um den unterschiedlichen Fähigkeiten gerecht zu werden, und das vorhandene Know-How der Segler aufeinander abzustimmen, verlangte es daher, schon vor dem offiziellen Regattastart, in einer intensiven Trainingswoche das Boot, die Crew und das unbekannten Revier miteinander bekannt zu machen. Von erfahrenen alten Salzbuckeln über den Gelegenheitsregattasegler bis hin zum Regattaneuling war die Gruppe eine interessante Mischung von Individuen, welche neben dem sportlichen und seglerischen Aspekt nach Ende dieser zwei Wochen eine Menge an Erfahrungen, Eindrücken und Erkenntnissen mit nach Hause nehmen konnte. Die Gruppe war sich einig. Es war eine fantastische und lehrreiche Zeit, auch wenn es mehrfach so aussah, als ob sich der Gott des Meeres und der Seefahrt gegen die Pläne der Crew verschworen hätte. Denn bereits im Vorfeld quittierte der Motor seinen Dienst noch innerhalb französischer Hoheitsgewässer, und so konnte nur durch eine reparaturtechnische Meisterleistung von Seiten des Skippers der verabredete Termin in England noch so gerade eben eingehalten werden.
Der Check-in Tag war für die Crew recht ereignislos, aber da jeder die für sich günstigste Anreiseart herausgesucht hatte, füllte sich da Boot nur langsam, was dazu führte, dass einige schon ziemlich lustig auf den Beinen waren, als der Letzte spät Abends eintrudelte. Einig konnte man sich an diesem Tag nur in einem Punkt sein: England zeigte sich von seiner besten Seite! Zunächst herrschte ein Wetterchen nach des Engländers Geschmack: Völliger regentechnischer Weltuntergang, in dem selbst die beste Segeljacke es nicht mehr schaffte einen völlig trocken zu halten, nur um später in einem wunderschönen Sonnentag zu enden. Um die Wartezeit bei einem derartig schlechten Wetter zu ertragen, trösteten sich Friedbert und Lars bereits ab der frühen Mittagszeit mit einem Bierchen, was dann bei den später Eintrudelnden das dringende Bedürfnis hervorrief, aufzuholen.
Am nächsten Tag, dem Montag setzten wir nach Cowes über, um für die erste Woche einen Platz in der Marina zu besetzen und uns in der angemieteten Wohnung häuslich einzurichten. Als erste Aktion räumten wir das Boot mehr oder minder bis auf seine nackte Hülle aus, ganz nach dem Prinzip „alles Gewicht, und Gewicht bremst“ und füllten die Garage des Hauses quasi bis unter die Decke auf. Das meiste ließ sich mit einem abenteuerlichen Großraumtaxi ins Haus schaffen, allerdings brachte uns unser Überführungssegel den zweifelhaften Ruf von verrückten deutschen Segelträgern ein, die scheinbar nicht so genau wussten, wohin sie wollten. Ralf, Tobias und Lars hatten sich nämlich auf den Weg gemacht, ohne so genau zu wissen, wo Ihr Ziel lag, und sind so mit einem Großsegel auf den Schultern zu einer kleinen Sightseeingtour durch Cowes aufgebrochen und dabei dann noch mehrfach im Kreis gewandelt. Es wäre ja nicht so, als wenn ein Segel Gewicht sein eigen nennt!
Zu Beginn gab es ein paar Trockenübungen im Hafen mit Verteilung der Aufgaben und Positionen. Danach machten wir uns auf, das Revier zu erkunden. Nach anfänglichen Diskussionen und einiger Zeit um sich aufeinander einzuspielen, kam die Crew verhältnismäßig gut miteinander klar, und auch die geübten Manöver sahen gar nicht so schlecht aus. Peinlich war da eher die Tatsache, dass man in manchen Situationen vielleicht nicht allzu lange diskutieren sollte, besonders nicht in Momenten, wo sich diverse „Sands“ direkt Bug voraus befinden. Nach einem Optimierungsgespräch in Sachen „Wende“ rummste es zwei Mal ziemlich heftig und das Boot saß mit einer 45° Krängung im wichen Schlick fest. Große Schrecksekunden, aus denen Minuten wurden, in denen das Boot sofort wieder flott werden wollte. Dann Beigeisterung als sich das Boot unter Motor und Gewichtstrimm nach viel Zittern und Bangen löste und pure Erleichterung, dass es sich nur um „Sands“ und nicht um „Rocks“ handelte. Es zeigte sich also direkt am ersten Tag auf was für ein schwieriges und verhältnismäßig flaches Revier wir uns eingelassen hatten, und sorgte somit für den nötigen Respekt die Regatta und das Revier nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
Zurück in der Marina hieß es, erst einmal einige kleinere Instandsetzungsarbeiten zu erledigen und wie es halt immer so ist, gehört bei einem Charterboot auch ein wenig Feintuning dazu. Das heißt zu kontrollieren ob der Mast auch gerade steht, die Wanten ordentlich gespannt sind und eventuell auch noch einmal die Umlenkrollen der Falle zu schmieren. So kam es dann dazu, das sich Lars am Abend noch zwei Stunden in den Bootsmannstuhl gequetscht hat, um sich in luftiger Höhe dieser Aufgabe zu widmen, während am Boden der Tatsachen Cockpit und Ruder gecheckt und alles für den Spinnaker klar gemacht wurde, welcher am nächsten Tage sein Debüt mit der Crew haben sollte.
Der zweite Tag wurde somit zum ersten richtigen Trainingstag unter Extrembedingungen. Zum einen herrschten doch ziemliche Manöverunstimmigkeiten, was einige längere und manchmal auch ziemlich unnötige Diskussionen hervorrief und zum anderen kam die Crew nicht wirklich zu Ruhe, da ein Manöver auf das andere folgte. Friedberts Kommandos hallten Schlag auf Schlag über Deck! Segel im Segelwechsel, Spinnaker setzen und bergen und einige Dutzend Schiftungen und das Ganze bei einem nicht ganz optimalen Wetter aus feinem Nieselregen, der für gute Laune ein Übriges tat. Gegen Abend war die Crew dann allerdings wieder mit dem Tag versöhnt, weil Bier und Rum auf dem Tisch standen, und Anke und Harald ein fantastisches Essen gezaubert hatten, so dass doch noch eine gemütliche und gesellige Stimmung aufkam, nur von der Tatsache überschattet, das Nils kurzfristig für den kommenden Tag nach London zitiert worden war. Zähneknirschend stimmte er diesem Debakel zu, allerdings nicht ohne einfließen zu lassen, dass dieses Entgegenkommen als sehr teuer zu bewerten wäre.
Natürlich sorgte Nils Abgang am Donnerstag für eine leere Position am Mast, die Lars kurzfristig für einen Tag übernahm, und seine Position wiederum durch die „Grinder“ Harald und Felix. Der Tag zeigte, daß die Crew so langsam dabei war zueinander zu finden. Größere Unstimmigkeiten entstanden an diesem Tag keine, wohl aber ein wenig Stolz auf die erbrachte Leistung, denn selbst bei 20 Knoten Wind klappten die Spimanöver einwandfrei und auch beim trimmen gab es keinerlei Patzer. Nur Harald meinte einmal kurz, daß dieser Druck im Spi schon nahe an der Grenze zum Muskelzittern wäre. Darüber hinaus wurde die Crew an diesem Tage auch noch mit einem super Wetter belohnt, denn die Sonne brannte derart, daß das Ölzeug in die Ecke flog und man nicht darum herum kam die Sonnencreme aus den Taschen zu fischen. Die Idee im Anschluss den Abend schön ruhig ausklingen zu lassen, ging leider nur so lange gut, bis um 22 Uhr Nils wieder ins Teamquartier rauschte, zwei Flaschen Rum auf den Tisch knallte und der Crew mit großer Befriedigung mitteilte: „Sponsored by Arbeitskollegen“. Wie man sich denken kann, endete dann auch der Abend hochsportlich!
Der Freitag sollte der letzte Trainingstag sein, quasi unsere Generalprobe, welche natürlich eigentlich ganz nach Theatervorbild eine mittelprächtige Katastrophe sein sollte. Leider war diese Weisheit bei uns wohl wenig vertüdelt, denn nach anfänglichen leichten Schwierigkeiten am frühen Morgen, welche wohl oder übel auf den Rum des Vortages zu schieben waren, kam die Crew mit den gestellten Tagesaufgaben prima klar, auch wenn dann ab dem frühen Nachmittag die Luft raus war. Unser aufmerksamer Skipper Friedbert stellte daraufhin den Vorschlag in den Raum, an diesem letzten Tag einfach mal früher in die Marina zu dampfen um am nächsten Tag frisch ausgeruht und extrem motiviert an den Start zu gehen.
Er hatte allerdings nicht mit dem dadurch ausgelösten Energieschub gerechnet. Eine derartige Frage ließ die Crew die Stirn in Falten legen und das einstimmige „Nein“ ließen den Skipper verwundert in die Runde schauen. Es folgten 6 verdammt schnelle und nahezu perfekte „Shifts“, verschiedene geschwindigkeits- rekordnahe Wenden und Halsen, sowie ein Segelwechsel par excellence, mit denen die Crew endgültig signalisierte, doch inzwischen prima aufeinander abgestimmt zu sein. Entgegen alle vorab geäußerten Plänen, wurde es dann doch noch ein ziemlich langer Abend auf dem Boot. Gewisse Dinge mußten noch gerichtet werden. Ralf hing somit auch noch mal eine Stunde im Mast, eine Winsch brauchte eine dringende Überholung, der Anker mußte entsorgt werden und auch der Segelmacher konnte sich noch über unseren Besuch freuen. Hinzu kam noch, dass wir ab diesem Tag nicht mehr in der Marina lagen, sondern uns mit einem Schwimmsteg begnügen mußten, denn Cowes platzte aus allen Nähten. Eine Verwirrung mit dem Abendessen sorgte für ein übriges, da die Crew hierbei zum ersten Mal getrennte Wege beschritt. Die eine Hälfte tendierte zum Chinamann und die andere blieb einfach in der Marina und tat sich am Catering gütlich. Dumm nur, das sich der Chinamann als Fast-Food-Mitnehm-Bude herausstellte und die Asia Gruppe somit zu einem „Sit- In“ mit heißen Essen vor der Haustüre zwang, da der Schlüsselmann Felix mit dem anderen Teil der Crew noch auf Abwegen war. Dafür bot sich den Nachzüglern ein ziemlich witziger Anblick zum Ende der Trainingswoche.
1. Tag, Weckzeit 6.45 Greenwich, Regattastart 11 Uhr. Eine gewisse Nervosität und ein Hauch von Adrenalin liegen schon am frühen Morgen in der Luft. Cowes ist wie ein Ameisenhaufen. Wassertaxis schwirren durchs Hafenbecken und die auslaufenden Yachten und Boote verstopfen die Hafenausfahrt. Jeder Zweite scheint sich etwas Besonderes überlegt zu haben. Auf dem einen Boot schmettern die Dudelsäcke, der Nächste zieht ein Kinderbötchen hinter sich her und auf so manchem Boot steht die Crew Spalier beim auslaufen. Wir hingegen waren noch ziemlich beschäftigt das Boot flott zu bekommen und hatten daher wenig Zeit für diese Darbietungen, besonders da wir auch noch mit den Tücken der Wassertaxis zu kämpfen hatten. Ole rannte ins Regattabüro, die neusten Infos holen, Felix und Tobias zum Segelmacher, die Genua abholen, sowie Anke, Ralf und Lars zum Schiffsausstatter, um noch diverse Kleinigkeiten zu besorgen, z.B. die am Vortag verlustgegangene Winschkurbel.
Auf dem Wasser dann ballten sich die gesammelten Regattaklassen zu einem großen unübersichtlichen Knäuel, so das wir versuchten, so lange wie irgend möglich die Genua unten zu lassen, um uns eine verhältnismäßig gute Sicht in das Getümmel zu ermöglichen. Die Nervosität der Crew war förmlich greifbar und entlud sich in einem großen Gelächter, als Harald im Anschluss einer Wende nach der Winschkurbel brüllte und Lars prompt kehrt machte um Ihm diese zu reichen. Dumm nur, daß die Genua noch immer gut vertäut auf dem Vorschiff lag und überhaupt kein Anlass anlag eine Schot dicht zu holen. Aber es entspannte die Lage an Bord so kurz vor dem Start und ließ die Crew im Startgetümmel dann die Ruhe bewahren, auch als eine andere Yacht versuchte die „ask“ abzudrängen.
Traditionell wird vor der Royal Yacht Squadron aus gusseisernen Kanonen zum Start geschossen. Leider war der Start nicht sonderlich optimal, da sich dieser im Vorfeld äußerst schlecht trainieren ließ und so kam die „ask“ nur im respektiven Mittelfeld vom Start weg. Der erste Wegpunkt führte uns hoch an den Wind, so dass wir einen Anlieger fuhren. Bei dieser ersten Wettfahrt mussten wir leider Lehrgeld bezahlen. Der Ablauf eines Starts war uns allen noch nicht klar. Er erfolgte folgendermaßen: Nach der Bekanntgabe der Startlinie, die unserer Taktiker Olaf in der ersten Wettfahrt noch nicht so ganz mitbekam, übermittelt die Kurse für eine der insgesamt Gruppen unmittelbar nach deren Ankündigungssignal über Funk. In dieser Wettfahrt waren es 10 Tonnen, die entweder steuerbord, oder backbord zu runden waren. Unabhängig von der Empfangsqualität und der nicht perfekt zu verstehenden Aussprache des Race officers, mussten die Tonnen in der Karte gesucht werden. Zum Zeitpunkt der ersten Wettfahrt hatte unserer „TakNavi“ (Olaf) –unvorbereitet - wenig Chance die Kurse schnell in die Karte zu übertragen. Währenddessen war „oben“ die vollkommene Verwirrung perfekt. So kam es, dass die erste Wettfahrt unser schlechtestes Ergebnis darstellte. Der 21. Platz von 31 Startern war trotzdem ein kleiner Erfolg, der viel versprechen ließ. Der erste Wettfahrtabend wurde entsprechend dem Umfeld begossen. Immer wieder musste Ole bekunden, dass seine Überforderung in der Wettfahrt nur ein Einzelfall darstelle.
Die Regatten bei der Cowes Week zählen mit ihrem Revier zu den schwierigsten der Welt. Die über 1000 teilnehmenden Yachten sind in eine weiße und schwarze Gruppe eingeteilt. Jede Gruppe hat ca. 20 Startuntergruppen mit jeweils 15 bis 40 Startern. Der Start wird an zwei festgelegten Startlinien, die über ca. 2 sm nach Norden über die sogenannte Tonnen Alpha oder Beta peilen, vom Balkon des ehrwürdigen Royal Yacht Squadron Schlösschen, begrenzt. Die Startlinien können allerdings bei ungünstigen Voraussetzungen auch irgendwo anders im Solent liegen. Welche Startlinien und welche festverlegten Tonnen als Regattakurs zu runden sind, wird erst zum Ankündigungssignal bzw. Ankündigung der jeweiligen Startergruppe durchgegeben. Nun gibt es insgesamt 99 festverlegte Tonnen im gesamten Solent. Eine Wettfahrt kommt im Durchschnitt auf 7 bis 10 Rundungstonnen, je nachdem welche Wind- und Stromverhältnisse sich ergeben. So kommt es oft vor, dass die vorausstartende Gruppe eine andere Bahn segelt als die nachfolgende. Dies setzt gutes Timing, passable Englischkenntnisse, schnelle Reaktion und vor allem schnelle Auffassungsgabe voraus, um herauszufinden, welche Seite der Startlinie bevorzugt ist, um letztendlich einen guten Start zu fahren. Hat man mitbekommen, dass man an der Reihe zum Starten ist und hat die zuvor gestartete Gruppe keinen allgemeinen Rückruf erhalten – was ohne weiteres vorkommt-, so muss man, nachdem der Race Officer seine Durchsage per Funk abgesetzt hat, schnellstmöglichst die Rundungstonnen auf der Karte finden, damit man die Regatta taktisch zusammenstellen kann. Da meistens eine ost- oder westsetzende Strömung zwischen 0 und bis zu 5 kn herrscht, heißt es, auf diese Randbedingung zusätzlich einzugehen. Behält man dann noch den Überblick welche Seite zur Luvtonne die bessere ist, kann man getrost sich schon als Taktikgroßmeister bezeichnen. Alle Rundungstonnen haben Namen, wie Bob Kemp, Elephant, Norris, Royal Albert, Royal Southern etc. ..
Kurz um, spannender und mit höheren Adrenalinausstoß könnte eine Regatta kaum sein. Für Diskussionen während der Regatta und danach ist zweifelsohne gesorgt. Und Taktiker bei der Cowes Week ist mit Abstand der Job, der garantiert, am meisten gefürchtet ist.
Die zweite Wettfahrt begann mit einem guten Start. Wir konnten uns bei der ersten Luvtonne in der ersten Hälfte platzieren. Inzwischen arbeiten wir alle wie die Löwen, um unsere gute Ausgangsposition zu halten. Friedbert kam immer besser mit dem Handling der Yacht zurecht, Ole „funktionierte“ inzwischen als Taktiker, die typischen Bremsen auf der First 40.7 wurden endlich von dem Trimmer –zum Teil- gelöst und das Vorschiff fing an, sich endlich als Akrobaten zu verstehen. Der 17. Platz von insgesamt 31 Startern in dieser Wettfahrt konnte als kontinuierliche Weiterentwicklung angesehen werden.
Nachdem uns Ekki verlies, mussten wir im Setup der Crew Änderungen durchführen. Ralf Seeland übernahm die Aufgabe des „Bremsenlösers“, wie wir den Trimmer alle nennen.
Der angesagte dritte Wettfahrtstag, wurde aufgrund zu wenig Wind abgesagt. Da die Kräfte noch nicht verbraucht waren, konnten wir uns endlich einem wissenschaftlichen Vergleich zwischen „Lager beer feeling“ und unseren germanischen Biergeschmacksnerven durchführen. Das Ergebnis ist allen leider nicht mehr in Erinnerung!
In der dritten Wettfahrt, am vierten Wettfahrtstag, konnte das Race Comittee nach anfänglicher Flaute doch noch starten. Diesmal schickte man uns in den östlichen Teil des Solents. Die Wettfahrt dauerte knapp fünf Stunden. Bei wenig Wind sollten wir in dieser Wettfahrt feststellen, dass die Stromtaktik, mit der man die Regattatonnen optimal ansteuert, ein Vorausfühlen sondergleichen voraussetzt. Bei zu wenig Wind kann man leicht bei Unvorsichtigkeit auf die Tonne getrieben werden. Nicht zu vergessen, die unterschiedlichen Windverhältnisse unter Land nahe Cowes ließen uns manchmal in Windlöcher reinsegeln, die wie nicht zuvor erahnten. Inzwischen hatten wir unsere unmittelbaren Konkurrenten ausgemacht: Sie hießen Linklaters, Leopard, Exocete Strike und Popov. Mit einem genialen Schlag unter Land zum Schluss der Wettfahrt erkämpften wir sogar einem 16. Platz von 30 Startern. Damit konnten wir äußerst zufrieden sein. Inzwischen „flaxten“ wir, dass wir mit diesem Trend wohl noch unter die Top 10 kommen könnten.
Aber schon die vierte Wettfahrt lies uns klar erkennen, dass wir uns mit den Mittelplatzplatzierungen zufrieden stellen mussten. Mit einer Platzierung von 17. von 29 Startern mussten wir unserem „flaxigen“ Hochmut Tribut zollen. Nun ja, immerhin behaupteten wir das mittlere Drittel ganz gut.
In der fünften Wettfahrt kam es in unserer Startgruppe IRC 3 zu drei aufeinander folgenden Fehlstarts. Obwohl der Race Officer die Startbedingungen über die Signale India, Zulu bis hin zur schwarzen Flagge verschärfte, gelang es uns allen erst im vierten Start „sauber“ über die Startlinie zu segeln. Die Ankündigung uns alle bei einem weiteren Fehlstart „nach Hause“ zu schicken, veranlasste alle Skipper einen respektvollen Abstand zur Linie zu halten. In dieser Wettfahrt ging es wieder in den westlichen Solent. In einem Zick-zack-Kurs schickte uns das Regattakomitee von der Festlandküste wieder zur lsle of Wight und wieder zurück zum Festland in Richtung Westen. Im Laufe der Wettfahrt kippte der Strom von ost- nach westsetzend. Der Strom erreichte mitten im Solent eine Stärke von bis zu 5 Knoten, direkt unter der Küste war er entsprechend gering, und an einigen Stellen konnten wir Nehrströmungen feststellen. Nachdem wir im Zick-zack den Solent in Richtung Westen aufgekreuzt waren, gab es einen kleinen Up-and-down Kurs ostwärts.
Der letzte Schlag führte uns nah unter Land der Isle of Wight, um nicht in der Gegenströmung zu segeln. Da zu dieser Zeit Hochwasser war, segelten wir bei knapp 4 Meter Wassertiefe über Stellen mit + 0,5 Meter Land! Und das unter Spinnaker! Als wir zusammen mit anderen Yachten, wie an der Perlenkette aufgereiht, einen Steinwurf entfernt am Strand entlang Richtung Ziel unter Spi fuhren, da ist allen die Faszination Regattasegeln bewusst geworden: Jubelnde und winkende Menschentrauben am Strand sowie die abgefeuerten Kanonenschüsse von dem ehrwürdiger Royal Yacht Squadron als Zeichen für den Zieleingang der jeweils Ersten der jeweiligen Startergruppen sind Augenblicke, die wir nie vergessen werden. Ein Regattasegler, der solch einen Zieleingangkanonenschuss erhält, ist sozusagen für sein Leben lang geadelt! Wir haben es diesmal leider nicht geschafft und wurden 15. von 33 Startern. Ein sehr gutes Ergebnis, denn wir waren in der ersten Hälfte! In dieser Wettfahrt gewann die Yacht „Assassin“, deren Skipper wir nach der folgenden sechsten Wettfahrt näher kennen lernen durften.
Die sechste Wettfahrt am 7. Wettfahrtstag ließ für uns eine Premiere an einer internationalen Regatta werden. Am Start drängte uns die „Assassin“ regelwidrig ab, dass wir eine Nothalse fahren mussten, um nicht auf einen weiteren Konkurrenten aufzufahren. Das Manöver der „Assassin“ war so dreist, dass sich Olaf sofort entschloss die rote Flagge zu ziehen. Nun muss man bei einem Protest wissen, dass der Protest in einer gewissen Zeitspanne und auf einem vorgefertigten Formular in englischer Sprache eingereicht werden muss. Da wir aus dem Startgewühl nicht zufriedenstellend heraussegeln konnten und wir nach wie vor der Meinung waren, dass wir mit diesem regelwidrigen Manöver der Assassin gute Chancen auf eine Wiedergutmachung erhalten könnten, beschlossen wir – auch aus der Tatsache heraus weitere Erfahrungen zu sammeln- den Protest regelkonform einzureichen. Es dauerte ziemlich lange, bis wir an der Reihe kamen, da an diesem Tage etliche Proteste durch das international zusammengesetzte Schiedsgericht (ein Haupt – und zwei Nebenrichter) behandelt werden konnten. Das Problem kam aber zur Protestverhandlung: Es waren nur die Skipper zugelassen. Nun verkauften wir unsere Story dahingehend, dass Friedbert nicht ausreichend Englisch könne, und dass Olaf als Übersetzer mit zugelassen wurde. Zu Anfang ließ der Hauptschiedsrichter Friedbert und Olaf wissen, dass er sehr gut französisch verstehe, in der Annahme wir wären Franzosen. Gut dachten unsere „alten Hasen“! Im Laufe der Verhandlung wurde mit Modellen die Situation behandelt. Wind, Strömung, Nachbaryachten und die Kurse der beteiligten Yachten wurden abgefragt. Selbstverständlich merkten alle Beteiligten sehr schnell, dass französisch nicht unsere Muttersprache war sondern- sagen wir mal- ein „unverständliches“ Deutsch, eher einem Schweizer ähnelnd, aber es wurde weiter nicht darauf eingegangen. Nachdem alle Beteiligte Ihre Äußerungen und ihre Begründungen auf welche Regeln Bezug genommen worden war, wurden Friedbert und Olaf mit dem Skipper der Assassin herausgebeten. Nach 15 Minuten kam der Beschluss: Disqualifikation der „Assassin“! Eine harte Strafe für den Gewinner der vorherigen Wettfahrt. Der Spruch des Hauptschiedsrichters war: Gibt der Crew der Assassin wenigstens eine Runde Bier aus- in englisch- und in Deutsch; ich sehr gut Deutsch! So konnten wir noch 16. von 29 Startern in dieser Wettfahrt werden.
Unseren „Verhandlungserfolg“ haben wir gebührend gefeiert. Es kommt ja nicht oft vor, dass man protestiert, und dann noch in einem solchen Verhandlungsmarathon entsprechend sich durchsetzen kann! Auch hier konnten wir Klasse beweisen!
Am letzten Wettfahrtstag, segelten wir die letzte und siebte Wettfahrt in einer Gruppe mit nur 18 Startern. Die bis dato führende Yacht „Grand Cru II“, auch eine First 40.7, hatte es nicht mehr nötig zu Ende zu segeln und gewann die Gesamtserie vor der „Love Shack“, ebenfalls eine First 40.7. Wir legten uns alle nochmals in Zeug, aber es folgte ein Konzentrationsfehler nach dem nächsten. Eine solche Wettfahrtsserie ist halt nicht für „Warmduscher“ und unsere Knochen und Muskeln wurden in den vorangegangenen sechs Wettfahrten doch ziemlich geschunden. Was mancher so nicht im vorher ahnt, sind auch die zehrenden Nächte, bei denen auch immer wieder die besten taktischen und manövriertechnischen Lösungen ausbaldowert werden und am nächsten Tage wieder in Vergessenheit geraten. Zum Abschluss wurden wird 10. von 18 Starten, ein versöhnlicher Abschluss, da wir auch in der offiziellen Pressemiteilung als 10 genannt wurden (nur die jeweils ersten zehn werden dort aufgeführt!).
Fazit: Wir Karlsruher meisterten alle Hürden erfolgreich. Die „ASK After Guard“ mit Skipper Friedbert Mathes und Taktiker Olaf Kaspryk führte die Crew permanent in die Mittelplätze der international hoch besetzten Klasse. So belegten wir mit der Yacht „ASK“ den 16. Platz von insgesamt 35 Teilnehmern in der Klasse 3 IRC und den 10. Platz bei der Bénéteau First 40.7 Trophy von 19 Startern. Wäre der Streicher nicht gewesen, hätten wir den 12. Platz in der Klasse 3 IRC und den 8. in der First 40.7 Trophy Wertung eingefahren!
Autor: Lars Dechering mit Hilfe vom Taktiker