(unterwegs mit einer Jeanneau One Design 35)
Die ganze Regattaszene wird von französischen Seglern beherrscht.
Die ganze Regattaszene?
Nein, ein einziges deutsches Segelschiff leistet erbitterten Widerstand. Doch schauen wir uns an, wie unsere 7 Helden und eine Heldin sich schlagen:
Die Zeichen beim Start standen auf Sturm. Die Ausläufer eines Wirbelsturms in den USA zogen über Südfrankreich hinweg und einige Fronten hielten uns schon an den Tagen vor dem Start in Atem. Der Wetterbericht verhieß mit Südwest 8, in Böen 11-12, mit zahlreichen Gewittern und 3m Wellenhöhe nichts gutes. Auch der Blick aus dem Niedergang zeigte kein anderes Bild, lediglich, daß der Wind in die Straße von Bonifacio aus Westen hineinwehte. Trotzdem, die Regatta sollte gestartet werden und unsere unerschrockenen Helden wollten da auch nicht zurückstehen.
Während des Auslaufens aus dem Hafen wurden dann noch die letzten Wegpunkte ins GPS eingegeben. Dann wurden die Segel stark gerefft gesetzt, bevor es auch schon fast losging. Das ganze lief noch nicht ganz eingespielt, doch kaum waren wir bereit, fiel auch schon der Startschuß.
Die Kreidefelsen von Bonifacio kamen immer näher. Zwischen den Felsen und einer Boje lag die Startlinie. Wir versuchten etwas Abstand von beiden zu halten.
Kurz nach dem Start kamen dann die Fragen auf: wo war eigentlich die Startlinie genau gewesen? Haben wir sie wirklich überquert? Und auch in der richtigen Richtung? Ein Anruf bei der Regattaleitung brachte Gewißheit: es hatte nicht gestimmt. Noch hatten wir Zeit, den Fehler zu korrigieren, was wir dann auch taten.
Bis zu den Klippen von Les Moines war das Feld relativ dicht zusammen. Kurz vor den Klippen wurden die Wolken dunkler, die Wellen höher und der Wind stärker. Der Windmesser zeigte 40,42,45,47,50 Knoten Wind. Unsere OneDesign wurde auf der Kreuz ziemlich gebeutelt. Irgendwie haben wir es dann aber doch geschafft, an den Felsen vorbeizukommen, ohne den Krebsen den Rückenpanzer allzusehr zu zerkratzen.
Kurz hinter den Felsen lichteten sich die Wolken und wir stellten fest, daß aus unserem Fleet Race ein Match Race geworden war: der Rest der stolzen Flotte hatte sich beim Anblick der Wolken und der heranrollenden Wellen in den nächsten Hafen geflüchtet. Nur eine Figaro lag noch etwas voraus. Die haben sich innen an Les Moines trotz miserabler Sicht und auflandigem Sturm durchgemogelt. Alle Achtung! Dafür hatten wir mehr Höhe gewonnen und konnten so etwas mehr Fahrt machen. Mittlerweile beruhigte sich der Wind wieder. Stürmischer Wind kam uns sehr geruhsam vor. Der Schreck verschwand zunächst aus den Gesichtern.
Es kam der Golf von Valinco und wurde passiert, dann der Golf von Ajaccio. Langsam baute der immer noch anhaltende Südwestwind das Mittelmeer zu immer höheren Brechern auf und prompt kam die nächste Front auf uns zu. Böen bis 52 Knoten, kochende, brechende Seen, dafür aber diesmal ein raumer Kurs aufgrund der Winddrehungen um Korsika herum. Minutenlange Surfs mit Schnitten über 10 Knoten waren ein einmaliges Erlebnis. Die Tatsache, daß eine Yacht auf raumen Kurs so weit krängt, daß fast die Baumnock eintaucht war allerdings auch einmalig. Die Gesichter nahmen wieder einen besorgteren Ausdruck an. Dies wurde verstärkt, da das permanente Wasser im Cockpit zum Ausfall des HandGPS führte und unsere Instrumente doch nicht wasserdicht waren.
Der Wind flaute nach einiger Zeit auf 7-8 Beaufort ab, dann kam die nächste Front zusammen mit der Dunkelheit. Wir waren mittlerweile bei den Iles Sanguinaires. Böen mit schwerem Sturm, miserable Sicht und navigatorische Probleme führten beim Skipper zum Entschluß, das Groß zu bergen und Ajaccio als Schutzhafen anzulaufen. Niemand widersprach. Unsere Navigation hatte sich mittlerweile auf das dritte und einzig verbliebene HandGPS beschränkt, nachdem die Instrumente mittlerweile vollständig ausgefallen waren und Olaf beim Reparaturversuch die angeschlagene Antenne des BordGPS abriß.
Am nächsten Tag war aus dem Sturm dann ein laues Lüftchen geworden, daß aber nachmittags wieder auffrischte und uns einen herrlichen Spikurs über den Golf von Porto und den Golf von Girolata bescherten. Unter Spi durch die Gargalu Passage? Mein nicht ganz ernstgemeinter Vorschlag wurde dann auch verworfen, war wohl auch besser so.
Es wurde Nacht und die Sterne zeigten sich. Die Crew war nach dem gestrigen Fastentag wieder zur Aufnahme anderer Lebensmittel als Superpep bereit. Langsam schien sich alles zum besseren zu wenden, bis auf ziemliche Flaute, die unsere OneDesign lange Stunden vor der Punta Revellata und Calvi bescherten. Spät in der Nacht übergab unsere Wache wieder einmal die Macht über die Pinne an den Skipper Olaf und legte sich schlafen. Am nächsten Morgen dann Cap Corse. Der Kapeffekt bescherte uns eine schöne Brise, die aber nicht lange anhielt. An der Ostseite stampften wir bei 2-3 Windstärken gegen eine starke Dünung nach Süden.
Gegen Mittag kam dann vor Bastia die Cafe de la Post, ein Whitbread Maxi, auf und überholte uns. Da erwachten alle Lebensgeister der Crew. Wo waren denn die ganzen Bodenseeschotenzupfer? Richtig, bei wenig Wind kann man auch mit einem kleinen Schiff verhältnismäßig schnell segeln. Nach einem günstigen Schlag hatten wir die Cafe de la Post wieder hinter uns. Das Gefühl, ein Whitbread Maxi, wenn auch nur kurzfristig abgehängt zu haben, war schon fast die Strapazen der Reise wert.
Es wurde wieder Nacht und bei auffrischenden Winden überholten uns zunächst die Cafe de la Post, eine Corel 45 und einige Mumm 30. Je weiter wir Richtung Straße von Bonifacio kamen, desto launischer wurde das Wetter. Anrufe von Land warnten uns vor schrecklichen Gewitterstürmen in Porto Vecchio, die da auf uns zukommen sollten. Wir hatten allerdings zunächst einmal mit unvermittelten 90 Grad Winddrehern zu kämpfen, lagen dann in der Flaute fest, um anschließend bei heftigen Böen die Segel einzureffen. Nachts kamen die unsichtbaren Böen noch unvermittelter von den Bergen hinab. Richtig: Raggiature (Fallböen) hatten auf der Reise eigentlich noch gefehlt.
Gegen Mitternacht stellte sich dann bei 40-45 Knoten Wind wieder da gewohnte Gefühl ein, ziemlich auf der Backe zu liegen. Immerhin war aufgrund des Landschutzes die Welle nicht mehr da. Am nächsten Morgen kamen dann ziemlichen erschöpfte Seebären in der Straße von Bonifacio an. Jetzt noch durch die Piantarella-Passage aufkreuzen? Da die Figaro durch das Anlaufen des Schutzhafens weit vor uns lag, verzichteten wir und fuhren außen um die Inseln herum. Beim Anblick der Passage zwischen Lavezzi und Cavallo kam die Diskussion über eine Abkürzung auf. Nachdem wir diese unbetonnte Durchfahrt einige Tage später in Ruhe erkundet haben, bereuen wir den Entschluß, auch diese Passage auf der Regatta ausgelassen zu haben, nicht.
Ein Blick auf die Uhr verhieß nichts Gutes: Die Regatta lief noch bis 12.00 Uhr mittags und wir mußten uns ganz schön beeilen, um die Deadline nicht zu verpassen. Olafs Eifer beim Spinakersetzen wurde aufgrund von Winddrehern nicht belohnt und so hieß es noch einmal super genau trimmen. 2 Sekunden nach der Deadline kreuzten wir die Zielline. Wir wurden nicht einmal mehr abgeschoßen!
Die Bilanz unserer Reise: X sehr hart umkämpfte Seemeilen, aber sicherlich unvergeßliche Erlebnisse (z.B. Spinaker im Gesicht zum Frühstück), eine super Crew, die alles sehr gut mitgemacht hat und der Beweis, daß eine OneDesign extrem seegängig ist und noch segelt, wenn der Flughafen von Ajaccio wegen Sturm geschlossen ist und Fähren nicht mehr ohne Schlepperhilfe ablegen können. Von den 6 Booten unserer Klasse wurde lediglich die Figaro gewertet. Wir wurden vermutlich in führender Position aufgrund des Anlaufens eines Schutzhafens disqualifiziert.
Als Anerkennung für unsere Leistung erhielten wir dennoch eine Trophäe mit dem Wappen der Stadt Bonifacio. Außerdem gab es ein Satelliten-EPIRB, um in Zukunft in ähnlichen Wetterlagen gerüstet zu sein.
Die Heimkehr unserer Helden wurde dann mit einem großen Festbankett, an dem alle, wirklich alle 8 Helden teilnahmen, gefeiert. Dieses fand nicht unter Tausenden von Sternen, sondern im Restaurant Cafe de la Post bei unserem Freund Guy statt. Von den Erinnerungen werden wir noch lange zehren und wer weiß, vielleicht verschlägt es uns nächstes Jahr wieder zu den Kreidefelsen, wenn in Bonifacio der Startschuß für die nächste Tour de Corse fällt.
Eines steht auf jeden Fall fest:
Nächstes Jahr ist der ASK wieder dabei!