Ende 2024 machten sich 14 ASK-Mitglieder auf der Suche nach Sonne und einem Törn mit spannenden Dezember-Winden auf den Weg Richtung Mallorca. Silvester auf einem Boot feiern – das müsste man doch mal ausprobieren! Nach einiger Werbung im Verein fanden sich zwei vollständige Crews zusammen, einmal acht für eine Bavaria 46 Cruiser (Casandra) und einmal sechs für eine Bavaria C42 (Aurelia).

Die Kriterien für die Auswahl der Yachten waren klar: Standheizung muss sein, wenn möglich sollten sie auch segeln können. Die erwarteten Temperaturen waren nachts um die 7° und tagsüber kaum über 15° - viel regnen könnte es auch noch. Die Auswahl des Reviers lief ähnlich: Ein sehr gutes Angebot für Kroatien wurde zugunsten der Balearen ausgeschlagen, zwei Sonnenstunden mehr am Tag konnte selbst ein Gennaker nicht aufwiegen.

Angereist sind alle 14 Teilnehmer mit Stadtmobil tagsüber bis Barcelona, und ab dort – nach viel zu langem Fußmarsch bis zur Fähre – mit dem Schiff über Nacht bis Palma de Mallorca. Das Auto blieb in Barcelona, die Kosten der Überfahrt wollten wir uns sparen. Dass man so Parkhaus, Umweltzölle in Barcelona, und zahlreiche Bus- und Taxifahrten zahlen muss – und lange Fußwege mit Gepäck anstehen – war bei der Planung so nicht klar. Nächstes Mal sollte sicher ein Stadtmobil mit auf die Fähre. Ankunft in Mallorca war bereits gegen 4 Uhr morgens, die Fähre verließen wir gegen 6, und fielen in das Frühstücksbistro des Fährhafens ein. Der Vercharterter hat zu solchen Uhrzeiten genauso wenig geöffnet wie die Supermärkte.

Später teilte sich die Gruppe. Manche kauften Getränke, manche den Rest, Skipper übernahmen nacheinander die Boote und schnell war klar: Am Samstag fahren wir nicht mehr los. Stattdessen genossen alle die Duschen des Hafens und ruhten sich von der Anreise aus. Ein spontaner Glühweinumtrunk des Vercharterter half dabei. Und der Plan stand: Heute nicht mehr segeln, bloß etwas Sicherheitseinweisung, und dafür am nächsten Tag früh los Richtung Cabrera.

So brachen wir am Sonntag früh auf in Richtung der ehemaligen Gefangeneninsel, für die man heute aus Naturschutzgründen eine (kostenpflichtige) Genehmigung zum Übernachten braucht – Ankern ist komplett verboten. Die Casandra besuchte vor dem Einlaufen in die Bucht mit Bojenfeld noch die blaue Grotte. Touristisch hoch angepriesen, ohne das passende Licht aber kaum mehr als zwei größere normale Höhlen, die man mit Dingi befahren kann. Im Neoprenanzug wagten sich auch die ersten Schwimmer in das Wasser, Fazit: Mit passendem Equipment kann man auch bei 6 Knoten noch angenehm Fender reiten! Unser Versuch, in der Hauptbucht trotz zwei reservierter Bojen beide Yachten im Päckchen an eine zu legen wurde schnell bemerkt und von den örtlichen Rangern unterbunden.

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Sonntag Nachmittag stand endlich die wichtigste Entscheidung an: Wo möchten wir am Dienstag, dem Silvestertag, eigentlich liegen? Wie wichtig ist es, ein Feuerwerk zu sehen? Wer möchte in der Stadt feiern und wer in eine einsame Bucht? Und wie lang darf die Anfahrt dauern? Wie es von zwei ASK-Crews kaum anders zu erwarten war, entschied man sich dafür, zunächst am Montag noch Cabrera zu erkunden und dann in der Nacht auf Silvester nach Menorca überzusetzen. Silvester in der Bucht, Feuerwerk ist weniger wichtig, Hauptsache Segeln! Das Wetter schien bis auf lahme Winde diesen Plan zu unterstützen.

Die ausgedehnte Wanderung auf Cabrera am Montag lohnte sich allemal, wenn die Insel nicht mit Touristen überlaufen ist, ist sie geradezu meditativ ruhig und man hat ausreichend Zeit, alle öffentlich begehbaren Pfade abzuschreiten. Inklusive kleinem begehbarem Castell an der Einfahrt zur Bucht und einem Weg mit Blick auf den Leuchtturm. Auch von den Baracken, in denen einmal französische Gefangene lebten, kann man noch Ruinen sehen. Auch wenn die wie zu heiß gewaschen eher für Kinder gebaut schienen. Schockiert waren alle Besucher, als während unseres Landgangs wenige dutzend Meter von uns ein Boot der Küstenwache mit 20-30 Flüchtlingen anlegte und diese aussteigen ließ – plötzlich machten die Securite-Rufe vom Vortag, in denen vor herrenlosen Booten vor Ibiza gewarnt wurde, viel mehr Sinn. Auch in den kommenden Tagen gab es noch einige Pan-Pan-Meldungen zu Flüchtlingsbooten. Die Balearen sind Teil einer großen Flüchtlingsroute, und insbesondere bei Cabrera kommen wöchentlich Flüchtlinge an. In 6 Meter langen Plastikbooten, mit Außenborder ohne Wasserschutzabdeckung. Und – selbstverständlich – völlig überladen. Von dem Anblick, diese Menschen mit goldenen Kälteschutzdecken dort sitzen zu sehen wie man es schon tausend Mal am Bildschirm sah, konnten wir uns zunächst schwer lösen, setzten schließlich unsere Besichtigung der Insel aber fort. Auch für längere Schwimm- und Schnorchelgänge war reichlich Zeit, bis wir nach einem späten Mittagessen Richtung Menorca aufbrachen.

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Die Casandra fuhr noch die obligatorischen MOB-Übungsmanöver, während die Aurelia ihre wahren Prioritäten klar machte: Es muss geangelt werden, notfalls auf Kosten des Kurses! Von diesen Prioritäten konnten in der Woche beide Crews reichlich profitieren. Seichte Ostwinde erlaubten bis in die Nacht ein gemütliches Segeln, das 3-Stunden-Wachsystem auf beiden Booten bot allen reichlich Schlafgelegenheit. Während die Angler nachts den Motor für eine halbe Stunde anwarfen um eine Flaute auszufahren und dafür in den frühen Morgenstunden stark vom Kurs abkamen, segelten die anderen durch und warfen am späten Morgen in der Cala Escorxada – unter Segel! – den Anker. Das sollte die Bucht sein, in der wir die Silvesternacht verbringen. Gut geschützt gegen die vorherrschenden Ost-Nord-Ost-Winde und deren Schwell, ankern auf 4 Metern Tiefe und mit Schwimmdistanz zum Strand, perfekt! Mit reichlich Thunfisch an Bord und nach schwindelerregenden Manöverkreisen und teils experimentalen MOB-Manöver legten die Angler später im Päckchen an und genossen ebenfalls den Tag in der Bucht.

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Für Silvester hatte sich die Casandra-Crew ursprünglich ein Krimi-Dinner vorgenommen, schnell wurde aber klar, dass dieser Plan im Verbund mit einem zweiten Boot zum Scheitern verurteilt war. Stattdessen einigte man sich auf ein gemeinsames spanisches Tapas-Essen, sodass man den ganzen Abend über einen Snack nehmen könnte. Jedoch waren die Augen größer als 2 Bordküchen und 14 Mägen zusammengenommen. Die Kreativität beider Crews führte zu zahlreichen raffinierten Gerichten, der gefangene Fisch musste natürlich ebenfalls verwertet werden. Beide Boote waren ab dem späten Nachmittag mit dem Kochen beschäftigt, und die Einladung der Cruiser 46 (die später von der C42 abgelöst wurde – ja, die Performance-Yacht mit 4 Fuß weniger hat den größeren Salon!), dass man sich um halb neun treffen könne, konnte gerade so gehalten werden. Als endlich der Glühwein kochte und sämtliche Tapas mit vollständiger Allergen- und Zutatenliste erklärt waren, gab es kein Halten mehr. Die Crew der Aurelia hatte den ganzen Tag noch keine richtige Mahlzeit, das Frühstück der Casandra war auch schon länger her. Eine dreiviertel Stunde später sah der Tisch aus wie ein Schlachtfeld, und Suppenkoma machte sich breit. Einzelne verzogen sich in ihre Koje, um den Jahreswechsel noch bei Sinnen erleben zu können, der Rest bemühte sich redlich, die Regeln von Secret Hitler (ähnlich zum Werwolf-Spiel) zu verstehen. Der mittlerweile auf etwa 30 Zentimeter angewachsene Schwell von schräg achtern machte dies Teilen der Crew nicht leichter und sollte später noch für Überraschungen sorgen.

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Irgendwann vor Mitternacht trat dann wieder Betriebsamkeit ein, es mussten noch Trauben gezählt werden! In Spanien ist es üblich, zu jedem der zwölf Mitternachtsgongschläge eine Traube zu essen und sich je einen Wunsch zu wünschen, für ein glückliches neues Jahr. Was das bei 14 Teilnehmern für Zählerei bedeutet, bis klar ist ob genug Trauben an Bord sind, kann der Leser sich denken. Zudem mussten Gläser für Sekt und Wunderkerzen herangeschafft werden – schließlich machten sich noch ein paar Segler klar zum Mitternachtsschwimmen. All diese Rituale in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen war leichter als es klingt. Vom restlichen Verlauf des Abends sei noch erwähnt, dass es leicht fluoreszierende Algen im Wasser gab, welche den Schwimmern etwas Ablenkung von der Frische des Wassers boten.

Die Nachtruhe währte für die Aurelia, und Teile der Casandra-Crew, allerdings nicht lange. Schon am Silvesterabend fiel auf, dass sich unser Päckchen vom minimalen Schwell in der Bucht aus dem Takt bringen ließ und die Boote vergleichsweise heftig gegeneinander rollten. Letzte Justierungen vor dem Zubettgehen halfen nichts, irgendwann nach 2 Uhr nachts verhakten sich die Seezaundurchgänge und der Stahlbügel der Casandra wurde unter erheblichem Lärm nach außen gebogen. Die Reaktion war schnell. Zunächst Fender umsetzen und kurz später barg die Aurelia (als zweitgeankerte Yacht) ihren Anker, um sich in sichere Entfernung zu begeben. Bis auf den offensichtlich beschädigten Seezaun, der notdürftig mit Schot verschlossen wurde, waren keine Schäden erkennbar. Glück gehabt. Abgesehen vom Schaukeln der Yachten war die weitere Nacht ereignislos…

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...bis am nächsten Morgen auf der Casandra ein Ruf die Runde machte: Das Dingi der Aurelia ist weg – wir müssen es holen! Diese hatte es, um beim Neuankern Ruhe zu haben, nämlich bei Casandra geparkt. Dort hatte es sich aber losgerissen und trieb nun mitsamt Außenborder aus der Bucht hinaus, wenige hundert Meter bereits. So machte man schnell das eigene Dingi klar und fuhr mit ihm aus der Bucht hinaus, um das entlaufene Gummiboot einzufangen. Nach einem zerfledderten Restefrühstück wurde die Wettervorhersage studiert. Die eigentlich angekündigten Nordwinde des Mistral, die uns mit Leichtigkeit raumschots zurück nach Palma gebracht hätten, waren abgekündigt. Stattdessen war nun vom Gegenteil die Rede: Westwind bis 20 Knoten, und reines Kreuzen bis Palma. Die Entscheidung, ob man die Ost- oder Westküste von Mallorca abfahren wollte, fiel schließlich fast von selbst. Hauptsache sicher und ohne endloses Kreuzen unter Legerwall zurück zur Charterbasis finden.

Das Tagesziel des ersten Januar war somit Porto Christo, und, je nachdem wie der Wind drehen sollte, noch etwas weiter. Bei mal gutem, mal schwachem Segelwind schafften wir es schließlich bis Porto Colomb. Die Buchtenauswahl auf Mallorca ist nicht leicht, je nach Windrichtung gibt es quasi keine geschützte – Porto Colomb ist aber eine recht sichere Wahl. Eine weitestgehend umschlossene Bucht mit Marinas und Bojenfeld, zweiteres nutzten wir um in der wieder eingebrochenen Dunkelheit festzumachen. Die Crew der Casandra lernte in dieser Nacht, dass kein Wind und wenig Schwell an einem Bojenfeld nicht gleich guten Schlaf bedeutet. So hat die Yacht nämlich die einzigartige Gelegenheit, bei jeder Zentimeterwelle gegen die Muringboje zu donnern, ohne dass man sie dagegen abfendern oder mit längerer Leine zum Abtreiben bewegen könnte. Beim Skipper machte sich Sorge um das GFK breit, bei der Crew zumindest Sorge um den Nachtschlaf.

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Am nächsten Tag, dem Donnerstag, konnten frisches Brot und Croissants gefrühstückt werden. Dingi und Frühaufsteher sei Dank! Diese Stärkung brauchte man auf der Casandra auch, um die saftige Rechnung von 52€ für eine Bojennacht zu verkraften, wohlgemerkt im Januar und ohne Zugang zu Strom oder Wasser. Doch Ärgern hilft nicht, wir mussten ohnehin weiter. Die Aurelia freute sich über einen zweiten Thunfischfang, und wollte sich noch einmal Cabrera ansehen, während Casandra sich über ihren Anteil am ersten Thunfisch freute und in der Cala Pi am „Festland“ Mallorcas festmachte. Landleinen durch diese Bucht zu spannen ist wahrlich keine gute Idee, der Hafenführer hatte doch recht: Wenige Stunden später kommt Besuch, der mit heftigem Spanisch versucht klarzumachen, dass man das bitte anders machen soll. Kompromisse ausgeschlossen, auch wenn man der einzige Buchtenlieger in dieser Nacht ist. Eine Landleine wurde somit noch durch den 20kg-Zweitanker ersetzt. Das durchweg klare Wasser, das wir diese Woche hatten, und saubere Arbeit der Dingi-Crew machten das Manöver leichter als erwartet. Manchen ließ diese „spontane Vertäuung“ aber in dieser Nacht keine Ruhe, die Enge der Cala Pi verlangte einen sehr kleinen Abstand zur schroffen Felswand – zudem kaum abzufendern.

13 Seemeilen weiter südlich konnte die Aurelia in Cabrera, nach einem guten Segeltag, an den bereits bekannten Bojen anlegen und die restliche Nacht, bei wenig Wellengang, erholsam verbringen.

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Für Freitag war endlich gutes Segelwetter angesagt, darauf hatte die Aurelia nur gewartet. Am frühsten Morgen brach sie in Cabrera auf, um sich auch noch die Cala Pi anzusehen. Bei diesem Wind war der Umweg kein Problem, pünktlich in Palma könnte man trotzdem noch sein. Zwischenzeitlich standen über 10 Knoten auf der Logge des 42-Fuß-Bootes: Neue Bavarias können offenbar doch segeln! Von diesem Erlebnis aufgeputscht liefen sie in die Cala Pi ein, als manche der Casandra sich gerade zum Sonnenaufgang-Gucken das Dingi klar machten. Den Sonnenaufgang verpassten sie, nichtmal knapp, um etwa eine Stunde. Smartphones können eben doch nicht alles. Lange hielt es aber beide Schiffe nicht in der Bucht, man wollte segeln. Also ablegen und Kurs Richtung Hafen von Palma de Mallorca. Beide schossen nur so dahin, hoch am Wind hängte Casandra Aurelia doch noch ab und traf so vor den Hafentoren eine 29er-Schule, die (wohl angezogen von der lauten Musik an Bord) mehrfach unter Spi an uns vorbeifuhren.

Tanken und Anlegen verlief weitgehend reibungslos, der verbogene Seezaun als Silvesterandenken schien den Vercharterer nicht zu schockieren. Gepäck wurde gepackt, Formalitäten erledigt und nach dem Abendessen war man sich einig: Wir müssen uns die Stadt noch ansehen. So selten es die Woche auch war, alle 14 brachen gemeinsam auf, um sich die hierzulande wohlbekannte Stadt anzusehen, und sehenswert ist sie allemal! Man ließ die Woche Revue passieren und tauschte sich aus. Gerade nach solchem Glück mit Wetter, Crews und Booten waren alle froh, dabei gewesen zu sein, und würden es wieder tun.

Der Samstagmorgen lief, wie er immer lief. Etwas Hektik, etwas wenig geschlafen. Etwas zu viel Essen, etwas zu wenig Zeit. Und was tun mit dem angebrochenen Alkohol?! Aus der Hinfahrt hatte man jedenfalls gelernt: Taxen fahren bis an den Steg in den Hafen, die zehrende Busfahrt tun wir uns kein zweites Mal an. So ging es zum Fährhafen, in die Fähre, und nach Barcelona. Dort trennten sich die Wege: 7 wollten direkt zurück und noch am Wochenende Karlsruhe erreichen, während die zweiten 7 noch zwei Nächte in Barcelona verbrachten. Schließlich kamen die letzten Teilnehmer Montag Abend gegen sieben Uhr in Karlsruhe an.

Der Törn war sicher ein Experiment, und hätte auch ganz anders ausgehen können. Das Wetter um diese Jahreszeit ist berüchtigt, und wenn dann kein Platz zum Trocknen des Ölzeugs im Boot ist oder die Heizung streikt, kippt die Stimmung. All diese Sorgen mussten wir uns nicht machen – und Manches ist auch leichter als angenommen. Wer hätte gedacht, dass mindestens jeden zweiten Tag jemand ohne wärmenden Neoprenanzug baden gehen wollen würde? Häfen schließen außerhalb der Saison auch nicht, und statt Dauerregen kann man auf den Balearen auch im Dezember allgemein eher Trockenheit erwarten. All das schreit nach Wiederholung, und es ist nicht zu viel verraten wenn man sagt, dass der eine oder die andere von diesem Törn wieder dabei sein wird ;)

Datum: 28.12.24 - 04.01.25
Revier: Balearen
Skipper: Philip Höbler; Florian Schieren
Boot: Bavaria 46 Cruiser; Bavaria C42
Crewstärke: 14
Starthafen: Palma de Mallorca
Zurückgelegte Seemeilen: 230
Projektleiter: Philip Höbler