Die Idee entstand bei dem Gespräch mit der Christiane von Sarres auf der „Boot“ in Düsseldorf. Gerade war der Törn „Training in Solent“ als großer Erfolg zu Ende gegangen. Christiane erzählte, dass Sarres einen sehr guten Vercharterer in Belgien hat, welcher für die Törns an die Südküste Englands sehr gerne genutzt wird. Belgien war bis zu diesem Gespräch nicht unbedingt ein Land, was man mit Segeln verbunden hatte. ;)
Zwei Jahre später haben sich 6 gleichgesinnte gefunden, die gerne dieses herausfordernde Revier besegeln wollten. Man hatte sich ausgetauscht und einige Ideen entwickelt, was man alles seglerisch in diesem Revier umsetzen könnte. Im Raum standen sowohl ein erneuter Törn in Solent als auch der Tripp zu den Kanalinseln. Zum Schluss entschieden wir uns für die Charter ab Nieuwpoort in Belgien, weil es keine Angebote für die Schiffe in der Normandie gegeben hat, und wir aber gleichzeitig nicht erst per Fähre nach UK fahren wollten. Die Meerenge wollten wir schon überqueren, dann aber unter Segeln ;)
Unser Vercharterer hat uns vorab mit vielen Informationen versorgt was das Revier aber auch den Umgang mit dem Boot betrifft. Besonders blieb dabei ein Zitat zu dem Umgang mit dem Bord-WC und der Tatsache, dass man doch etwas mehr pumpen muss.: „After only 5 x pumps, you will no longer see IT, but IT is still there.”
Eine weitere interessante Erfahrung war, dass man bei den Vercharterern im Norden im Gegensatz zu Mittelmeer die Nacht vor dem Charter auf dem Boot verbringen darf und nicht die Nacht nach dem Charter. So darf man bei bereits am Freitagabend auf das Boot, welches ab Samstag gechartert wurde, muss dieses aber dann auch direkt nach der Abgabe am darauffolgenden Freitag verlassen. Das sollte sich für uns als Vorteil herausstellen, aber alles der Reihe nach.
Wir bekamen die Informationen wie man das EU per Boot korrekt verlässt, UK ansteuert und dann wieder zurückkommt. Es war etwas erhöhter bürokratische Aufwand notwendig, weil auch nicht alles IT-Systeme in UK funktioniert hatte, dazu aber später.
Im Crewtreffen am ETI bzw. hybrid haben wir uns alle kennengelernt. Dabei wurde die Anreise per Stadtmobil geplant und Segelplan bzw. auch das Essensplan aufgestellt. Die Vorfreude war riesig und wir alle konnten nicht erwarten das Segelabenteuer anzutreten, was so lange geplant war.
Die Anreise war völlig unspektakulär. Per 9-Sitzer ging es 680 Kilometer weit nach Nieuwpoort in Belgien. Wir trafen viel früher als geplant ein. Es gab zwei positive Überraschungen. Erstens war Parkplatz in Mengen vorhanden und zweitens war das Boot bereits vorbereitet und wir konnten es direkt übernehmen trotz verfrühter Anreise. Lediglich das Wetter mit grauem Himmel und immer wieder Regen hatte für ein wenig logistische Herausforderung gesorgt.
Während die Hälfte der Crew einkaufen fuhr, hat der Rest das Boot übernommen. Das ging sehr schnell durch. Nicht zuletzt, denn 3 Mitglieder des Schiferrates der ASK dabei waren, die naturgemäß hohes technisches Know-How hattem. Schnell war die Mängelliste aufgestellt und der Vercharterer ging an deren Beseitigung.
Eine Strecktau wurde sofort getauscht. Interessanter gestaltete sich das Fehlerbild, dass weder der Tiefenmesser (ein absolutes Muss in dem Revier), als auch der Radar (ein sehr willkommenes soll in dem Revier) funktioniert hatten. Mit geballter Manpower (3-4 Personen) und im strömenden Regen gingen die Mitarbeiter des Vercharterers an die Lösung der Probleme ran. Es wurde die Radarschüssel im Mast samt Verkabelung geprüft und sogar der Plotter getauscht. Nichts half.
Bei dem Tiefenmesser konnten wir schließlich helfen, da wir entdeckt hatten, dass der Geber nicht installiert war, sondern in der Bilge lag (nicht immer ist das Chartern so früh in der Saison sinnvoll). Das Radar wollte immer noch nicht funktionieren. Als Lösung hatte der Vercharterer vorgeschlagen, dass wir ein anderes, neueres Boot bekommen, was wir jedoch abgelehnt hatten, weil alles bereits so schön verstaut war und das erste Bier bereits getrunken.
Die Entscheidung war nicht so falsch, da auf der Reise auch das Radar funktioniert hatte. Nach der Klärung hatten wir die letzten Instruktionen, ein Logbuch in Papierform (gemäß dem Vertrag muss es lückenlos geführt werden) und die Freigabe zum Ablegen vom Vercharterer erhalten. Somit durften wir jederzeit ablegen.
Orientierend an den Gezeiten haben wir pünktlich um 9:50 die Marina Nieuwpoort verlassen und durch den langen Zufahrtskanal mit dem ablaufenden Wasser die Nordsee erreicht. Dabei wurde schon die erste Robbe entdeckt, die von einer freigelegten Sandbank uns beobachtet hatte.
Unser Tagesziel war das französische Calais, was etwa 40NM westlicher lag. Die Strömung war günstig für die nächsten Stunden und so konzentrierten wir uns auf die genaue Navigation, weil der Zufahrt zu Nieuwpoort mit diversen Sandbänken versehen ist. Wir haben uns dazu entschlossen nicht die betonte Fahrrinne zu nutzen, sondern etwas weiter in den englischen Kanal hinauszusegeln, um die Sandbänke zu umfahren. Gleichzeitig behielten wir die Wetterprognose für den nächsten Tag im Auge. Es war mit dermaßen starkem Westwind zu rechnen, dass die Überfahrt von Calais nach Dover nicht sinnvoll gewesen wäre. So überlegten wir uns an einem Zeitpunkt zu entscheiden, ob wir nach Calais fahren oder noch ca. 20NM anhängen und Dover direkt am ersten Tag ansteuern. Die Entscheidung fiel auf Dover, da wir den erzwungenen Landtag eher auf der Insel verbringen wollten. An dem berechneten Punkt drehten wir gen Nord um das TSS „Dover Strait“ gemäß den Regulatoren und Vorgaben korrekt zu kreuzen.
Dabei stellte sich heraus, dass das neue System der UK Boarder Control zum Anmelden der An- und Abreise noch nicht so funktioniert, wie man es erwarten würde. Es hat unsere Anmeldung mit einem Programmfehler quittiert und nicht angenommen. Mit ca. 1,5 Stunden Telefonate (Gott sei Dank ist die EU Roaming-Regelung immer noch in UK gültig!), mehreren E-Mails mit Excel Listen und SMS wurde uns eine Freigabe erteilt nach UK einzureisen. Diese Freigabe hatten in den folgenden Tagen jedoch niemanden interessiert ;)
Um ca. 21.31 und bei starker West-Strömung erreichten wir die imposante Einfahrt von Port Dover. Vorschriftmäßig haben wir uns 2NM davor per Funk bei dem Port Control gemeldet und die Erlaubnis zu Einfahrt in „West“ erhalten. Danach wurden wir per Funk durch den Port zu der Einfahrt in die Marina gelotst. Wieder per Funk wurde uns die Erlaubnis der Marina zur Einfahrt gegeben und der Steg zugewiesen, wobei wir unser Liegeplatz selbst wählen durften.
Wie vorhergesagt wurde am 28. April ein Landtag in Dover eingelegt, da ein sicheres und vernünftiges Segeln bei sehr starkem Westwind nicht möglich war. Wir haben uns im Dover ein wenig umgesehen und die weißen Klippen besucht. Abends hatten wir einen sehr netten Ausflug in den Pub mit einigem Bier, Fish&Chips und Livemusik. Damit war ein weiterer Punkt auf der Törn-ToDo abgehackt nach der Robben-Sichtung ;)
Am 3. Tag ging es bei mäßigen Wind Richtung Themse-Delta. Das Verlassen des Dover Ports war wieder mit viel Funkverkehr und lotsen verbunden, was uns allen viel Spaß gemacht hat. Wir segelten vorbei an einigen Windkraft-Feldern, den Verteidigungsanlagen aus dem 2. Weltkrieg und den Omnipräsenten Sandbänken. Es war erneut eine sehr anspruchsvolle Aufgabe für den Navigator des Tages, die jedoch mit Bravour gemeistert wurde.
Später am Abend passierten wir ein Sperrgebiet mit 4 gelben Tonnen inmitten dessen drei Masten aus dem Wasser ragten. Kurzer Blick in Wikipedia erklärte uns, dass es ein gesunkener US-Versorgungsschiff aus dem 2. Weltkriegt ist, was hier untergegangen war. Weil nicht alle Munition geborgen werden konnte, hat man entschieden es so zu belassen, weil eine Explosion wohl auch die City von London mit einer Welle überfluten könnte. So haben wir unsere Reise mit der geschichtlichen Bildung angereichert.
Am späten Abendsind wir in den Fluss Swale eingefahren, wo wir dann bei Queenborough an einer Boje zur Übernachtung angelegt hatten. Die Anfahrt bei Dunkelheit und Niedrigwasser war sehr spannend und begleitet von lauten Hinweisen des Vorschiffs, dass man sehr nah an Backbord das Land sehen würde. ;)
Am 4. Tag hatten wir die Boje bezahlt und verlassen, um unsere Reise nach Ramsgate anzutreten. Wieder musste sehr genau navigiert werden, um die Sandbänke richtig zu passieren und die Strömungen möglichst optimal auszunutzen. Ohne besonderen Vorkommnisse erreichten wir das „Ramsgate Royal Harbour“. Auch hier mussten wir per Funk uns die Einfahrt in den Port erst erfragen und auf die Freigabe warten eher wir dann in dem Port selbst die Marina ansteuern konnten.
Vormittags erkundeten wir Ramsgate und stockten unser Proviant ein wenig auf. Ramsgate ist ein nettes kleines Städtchen, in dem man durchaus die Nähe zu Frankreich spürt, insbesondere beim Kauf von Brot.
Um 12 Uhr legten wir ab mit dem Ziel Calais in Frankreich. Bei moderaten Bedingungen konnten wir das Radar ausprobieren, da es ein wenig neblig war. Der Nebel lichtete sich eher wir zur Überquerung der Straße von Dover ansetzten.
Für eine sichere Passage mit vielen Schiffen, die der im VTG unterwegs waren mussten sowohl AIS als auch Funk permanent beobachtet und bedient werden. Ein Tanker hatte uns direkt angefunkt, um auf das kleine CPA aufmerksam zu machen, welches das AIS berechnet hatte, und um zu fragen, was wir vor haben. Wir erklärten unseren Plan hinter ihm durchzugehen und hielten uns dann auch daran. Relativ nah kamen wir uns trotzdem ;)
Im AIS haben wir auch echte Falschfahrer gesehen ;)
Nach einigem weiteren Funkverkehr mit den Fähren (wir haben natürlich den kürzesten Weg gewählt und waren somit mitten in den Fährenweg) und Port Calais, erreichten wir am Abend die Marina von Calais.
Zeitlich konnte es kaum besser für uns laufen, da die Drehbrücke der Marina von Calais nur rund ums Hochwasser aufgemacht wird. Es gibt dort zwar kostenfreie Bojen, um zu warten, wir konnten jedoch direkt einfahren, ohne warten zu müssen.
An dem Liegeplatz angekommen mussten wir feststellen, dass unser 37 Fuss Boot von dem Katamaran der Nachbarn beinahe zu einem Beiboot optisch degradiert wurde.
Nach einer kurzen Stadtbesichtigung hatten wir gekocht und einen schönen Abend auf dem Boot verbracht.
Am frühen Morgen haben wir ein wenig Getankt und die Marina bereits sehr früh verlassen, damit wir nicht bis zum nächsten Hochwasser auf die Öffnung der Brücke warten müssten. Direkt hinter der Brücke haben wir eine Warteboje angesteuert und festgemacht, um unser Frühstück mit den frischen Croissants zu genießen. Gut und lecker genährt, traten wir unseren letzten großen Schlag Richtung Unser Heimathafen in Nieuwpoort an. Mit einiger achterlichen Welle und achterlichem Wind kamen wir gut voran. Es wurden eine Bausicherung (Preventer) installiert, damit wir so tief wie möglich fahren konnten. Diesmal wählten wir die Inshore-Passage mit dem betonten Fahrwasser. Nach dem Verlassen des Fahrwassers waren wir wieder in dem Gebiet vor dem Nieuwpoort mit vielen Sandbänken und mussten sowohl den Tiefenmesser als auch die Tide sehr genau im Auge behalten.
Um 19 Uhr lagen wir bereits sicher vertäut an unserem Liegeplatz mit dem Plan am letzten Tag die Manöver bei Wind, Well und Tide zu trainieren.
Um unser Törn nochmal zu feiern, haben wir einen Tisch in dem Restaurant im Hafen reserviert und dort zu Abend gegessen. Wieder wurden wir daran erinnert, dass das belgische Essen sehr nahrhaft ist und viel Käse mit sich bringt ;)
Leider macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Es hatte am letzten Tag so stark geregnet, dass wir beschlossen hatten das Boot vorzeitig abzugeben und die Heimreise anzutreten. Die Übergabe war ohne Probleme gelaufen. Unser sauber geführtes Logbuch wurde sehr dankend entgegengenommen, sowie die kleinen Verbesserungstipps oder auch Hinweise auf kleinere Mängel.
Gegen frühen Abend kamen wir gut in Karlsruhe an.
Es war ein toller Törn! Gefühlt haben wir fast immer mit dem achterlichen Wind gesegelt und unsere Steuertechnik in diesem weiter verbessert.
Südengland ist seglerisch immer eine Reise wert, wobei das Themse-Delta eher sehr industriell und etwas langweilig wirkte.
Nach 237 NM in einem der meistbefahrenen Gebiete weltweit hatten wir viele Herausforderungen gemeistert und dabei sehr viel Spaß gehabt.
Die Küste von Belgien ist eher langweilig und flach, fordert aber hohe Konzentration beim Navigieren. Die beruhigenden Sätze wie: „Wir haben ja noch 1 Meter unter Kiel und es ist gerade Niedrigwasser“ hört man nicht am Mittelmeer ;)
Wir waren alle sehr zufrieden und haben unser Abenteuer sehr genossen.