Nach wochenlangen Reparaturarbeiten in Palma de Mallorca sollte unsere askew Mitte Dezember 2023 in ihr Winterlager zum Port Napoleon in Südfrankreich überführt werden. Zu dieser Jahreszeit ist das Wetter im westlichen Mittelmeer aber unbeständig und manchmal ruppig. Entsprechend kurzfristig war die Planung. Der Skipper war schon am Freitag (15. Dezember) angereist, um die Yacht nach dem Werftaufenthalt mit ihrem reparierten Antrieb auf ihre Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Mit dem Beistand des Schifferrats aus der Ferne waren bald die letzten technischen Probleme behoben und auch die Standheizung ließ sich schließlich dazu überreden, ihren Dienst wieder aufzunehmen.
Wenige Stunden später stiegen am frühen Samstagmorgen die ersten beiden Mitsegler halbwegs ausgeschlafen von der Fähre aus Barcelona. So wurden vormittags Proviant im örtlichen Supermarkt besorgt und letzte Vorbereitungen getroffen.
Nach dem Eintreffen der letzten beiden Crewmitglieder gegen Mittag waren wir komplett und legten schon am frühen Nachmittag zu fünft mit gemischten Erwartungen ab: Wird das Wetterfenster bleiben, wie es angesagt ist? Welcher Seegang erwartet uns vom gerade endenden Mistral der vergangenen Tage? Schaffen wir es in einem Schlag nach Port Napoleon oder werden wir in Barcelona oder Roses pausieren oder sogar den Törn beenden?
Geplant war daher, Mallorca in nördlicher Richtung zu verlassen und - so gut es der Am-Wind-Kurs zuließe - Barcelona anzusteuern. Von dort sollte es dann entlang der spanischen Küste und anschließend auf direktem Kurs über den Golfe de Lyon in Richtung Marseille gehen. Sicher ist sicher!
Bei mäßigem Wind verließen wir die Landabdeckung der Insel schon bald und bekamen einen Vorgeschmack auf die Nacht: Nicht nur waren die T-Shirt-Temperaturen des Mittags schon deutlich gefallen, auch der Seegang nahm merklich zu. Auf den ursprünglichen Plan, noch ein kleineres, performanteres Vorsegel für die Nacht anzuschlagen verzichteten wir dennoch, der Wind sollte laut Vorhersage nicht stark zunehmen und einen Teil der Crew hatte die Seekrankheit bereits erwischt, sodass wir mit gerefftem Vor- und Großsegel weiterfuhren. Schon jetzt deutete sich an, dass ein kurzzyklisches Schichtsystem nicht umzusetzen sein würde. Daher wurde entschieden, dass das fitteste Crewmitglied mit einem Teil der Crew die erste Schicht bis Mitternacht übernahm, um dann gegen Mitternacht vom Skipper und einem weiteren Crewmitglied für den Rest der Nacht abgelöst zu werden. Während die beiden ihre Kojen aufsuchten, um für den nächtlichen Einsatz Kraft zu tanken, segelten wir in vollem Ölzeug in die erste Nacht.
Zum Schichtwechsel herrschten noch immer recht konstante Bedingungen mit 5-6 Bft Windstärke und entsprechendem Seegang. Die weithin sichtbare Lichtverschmutzung über Barcelona erleichterte das Kurshalten erheblich. Leider hatte der Wind etwas rückgedreht, sodass wir unseren Kurs ein paar Grad nach Westen korrigieren mussten. Gegen Morgen nahm der Wind dann langsam ab, sodass wir mit den ersten Sonnenstrahlen ausreffen und bei Sonnenschein und schönstem Segelwetter, begleitet von Delfinen, die Fahrt fortsetzten konnten. Auch drehte der Wind - wie vorhergesagt – weiter rück, sodass wir nach einer der wenigen Wenden des Törns parallel zur Küste hochziehen konnten.
Dank der ruhigen Verhältnisse konnten sich nun auch diejenigen, die die Nacht etwas mitgenommen hatte, in Ruhe erholen. Leider nahm der Wind jedoch weiter ab, sodass immer wieder der Motor bemüht werden musste. Dank eingehender (unfreiwilliger) Wartung im Sommer und Saildrive-Reparatur auf Mallorca funktionierte dieser jetzt auch wieder einwandfrei. Und auch sonst machte sich die gute Vorbereitung bemerkbar: Auf langes Kochen hatte jetzt niemand Lust, der pragmatische pasta-lastige Einkauf hatte sich gelohnt.
Da der Törn bisher planmäßig verlief und sich die Ausfallquote im Rahmen hielt, verzichteten wir auf Zwischenstopps und peilten ab Sonntagmorgen einige Meilen vor Barcelona das Kap von Palafrugell an, um von dort am späten Sonntagabend ohne Halt Kurs auf Port-Saint-Louis-du-Rhone (dem Winter-Heimatort von askew) zu nehmen. Bis auf die Sichtung eines neuen Offshore-Windparks vor Marseille, der als solcher dank seiner nur zwei Windräder anhand seiner Lichter noch kaum erkennbar ist, in der dritten Nacht, verlief auch dieser Tag auf See ereignislos und sehr entspannt. Wir sammelten unterdessen schon einmal die uns aufgefallenen Schäden am Boot, denn auch das war als Vorbereitung auf das Winterlager unser Auftrag.
Am Dienstag, 19.12. um Punkt 0200 Uhr fuhren wir dann schließlich bei völliger Windstille in die schmale Fahrwasserrinne zum Port Napoleon ein. Keine Stunde später war askew fest, der Anleger getrunken und das Gruppenfoto gemacht. Zeit zum ausschlafen.
Nach dem Aufstehen und Reste-Frühstück wartete aber schon neue Arbeit auf uns: askew sollte noch fit für das Auswassern gemacht werden. Einen Zeitslot bei den Kranarbeitern konnten wir für Mittwochvormittag ausmachen. Bei strahlendem Sonnenschein hieß es also alle Schoten und Falle einzupacken (und durch Pilotleinen ersetzen ), Groß- und Vorsegel abnehmen und falten, der übliche Bootsputz, Lebensmittel sortieren und alles Weggeräumte gut beschriften. Schließlich mussten wir am Dienstagabend noch unsere Rückfahrt planen: Bis auf den Skipper, der am Mittwoch noch beim Auswassern dabei sein würde, wollten alle mit dem TGV nach Karlsruhe fahren. Da aber weder Zielhafen noch Ankunftszeit vorher feststanden, hatte niemand ein Ticket. Konnten zwei Crewmitglieder noch reguläre Zugtickets für die direkte Verbindung nach Karlsruhe ergattern, stellten die beiden Interrail-Reisenden fest, dass die Kontingente für die direkte Verbindung nach Karlsruhe schon aufgebraucht waren – und buchten so Reservierungen über Paris.
Während die einen am frühen Mittwochmorgen die Heimreise antraten, war ein Vertreter des Schifferrats am noch früheren Morgen in Port Napoleon eingetroffen. Als klar war, dass askew noch am Mittwoch ausgewassert werden konnte, hatte er sich direkt ins Auto gesetzt um beim Einwintern zu unterstützen und Segel, Sicherheitsausrüstung und weitere zu reparierende oder zu wartende Ausrüstungsgegenstände mitzunehmen, damit diese über den Winter wieder für die nächste Saison fit gemacht werden können.
Wie günstig das Zeitfenster für die Überführung gewesen war zeigt der im Laufe des Mittwochs immer stärker zunehmende Wind. Kaum war askew auf ihrem Bock an Land, pfiff er das Rhonetal hinunter und versetzte selbst die Yachten im Hafen in deutliche Schräglage.
Mittwochnacht, fünf Tage, nachdem die ersten nach Mallorca aufgebrochen waren, waren alle Beteiligten bereits wieder in Karlsruhe und askew in ihrem wohlverdienten Winterschlaf. Somit war die askew-Saison 2023 endgültig beendet.