Die Biskaya
Bereits im Zug nach Brest wurden stetig die aktuellen Wettervorhersagen kontrolliert. Eine Gewohnheit, die uns in den kommenden zwei Wochen nicht verlassen sollte. Die Vorhersage sagte jedoch nichts Gutes für unsere Überfahrt voraus: Mitte der Woche sollte ein Sturm über die Biskaya ziehen und eine Überquerung dieser unmöglich machen. Nach Absprache mit der Vorgängercrew entschieden wir uns daher die askew bereits am Freitag zu übernehmen und direkt danach abzulegen. Zum Glück war ein Großteil unserer Crew bereits am Donnerstag nach Brest gereist. Freitagvormittag konnten wir so bereits vorkochen und die benötigten Lebensmittel einkaufen. Nachmittags lief die askew dann im Hafen von Brest ein und wir freuten uns die Crew und das Schiff begrüßen zu dürfen. Nach einer schnellen Übergabe begannen wir unverzüglich unser Gepäck und die Einkäufe zu verstauen und einige Vorbereitungen für die 350 Seemeilen lange Überfahrt zu treffen.
Um kurz nach 20 Uhr hieß es endlich „Leinen los!“ und wir motorten langsam aus der Brester Bucht hinaus. Der sternenklare Himmel und der fast volle Mond sorgten für eine gute Sicht. Bereits einige Seemeilen aus der Bucht hinaus setzte mächtig Schwell und die askew wurde schwungvoll hin- und hergeschaukelt. Kurz darauf meldete sich zum ersten Mal ein stetiger Begleiter unserer Überfahrt: Die Seekrankheit. Diese sollte uns auch in den nächsten Tagen nicht verlassen. Nachdem wir die Bucht von Brest verlassen hatten, setzten wir die Segel und legten Kurs auf A Coruña. Auf Raumschotskurs kam die askew zunächst schnell voran. Für die Crew war die Überfahrt jedoch alles andere als komfortabel: In jeder Welle krachte der Bug der askew mit einem lauten Knall etwa drei Meter nach unten und das ganze Schiff vibrierte. Es viel uns so zunächst schwer einen erholsamen Schlaf zu finden.
Am nächsten Morgen waren die Bedingungen fast perfekt: Der Wind trieb uns weiter direkt auf A Coruña und die Sonne strahlte auf uns hinab. Langsam erreichten wir den Rand des Kontinentalschelfs, entgegen unseren Erwartungen wandelte sich das Wellenbild jedoch kaum und unser vorgekochtes Essen blieb weiter unberührt. Nach 24 Stunden hatten wir etwa die Hälfte der Strecke nach A Coruña zurückgelegt. In der zweiten Nacht begann der Wind dann aber wie vorhergesagt langsam rückzudrehen und wir mussten immer weiter anluven. Waren 25-30 Knoten auf Raumschotskurs noch relativ angenehm gewesen, wurde es jetzt ziemlich ungemütlich im Cockpit. In einer Böe riss uns dann die Reffleine der Genua. Trotz ungereffter Genua bei über 25 Knoten Wind ließ sich die askew jedoch weiterhin gut kontrollieren.
Am nächsten Tag versuchten wir mit dem eigens dafür gemieteten Satellitentelefon aktuelle Wetterdaten herunterzuladen. Unser Plan war es unsere Route entsprechend dem Wetter anzupassen, um so eine lange Kreuz nach Möglichkeit zu umgehen. Leider erwies sich das Sattelitentelefon als völlig nutzlos. Trotz mehrerer (teurer) versuche war es nicht möglich an aktuelle Wetterdaten zu gelangen. Also segelten wir weiter direkten Kurs Richtung A Coruña. Der Wind drehte jedoch immer weiter rück und einige Zeit später war der Kurs nicht mehr zu halten.
Mitten auf der Biskaya begegnete uns dann am späten Nachmittag die Saipem 7000, der zweitgrößte Schwimmkran der Welt mit einer Tragfähigkeit von zwei mal 7000 t und über 700 Mann Besatzung. Waren bisher Delfine unsere einzigen Begleiter gewesen, kreuzten von nun an mehrere Frachtschiffe unseren Kurs. Wir waren wohl in ihre übliche Route gelangt und mussten nun sehr umsichtig navigieren. Das AIS erwies sich dabei als große Hilfe.
Am frühen Abend wehte der Wind mit etwa 30 Knoten fast direkt aus A Coruña und wir kamen nur sehr langsam voran. In einer vierstündigen Wache legten wir gerade einmal acht Seemeilen in Richtung unseres Ziels zurück. Mit noch etwa 100 Meilen vor uns war die Stimmung an Bord entsprechend gedrückt. In den frühen Morgenstunden drehte der Wind jedoch wieder zu unseren Gunsten und am Vormittag erblickten wir zum ersten Mal seit zwei Tagen Land. Die Wellen wurden merklich kleiner und wir waren wieder in der Lage etwas Vernünftiges zu essen. Nachdem wir den Tag bei gutem Wetter entlang der spanischen Küste gekreuzt waren, kam endlich unser Zielhafen in Sicht. In der Bucht vor A Coruña bargen wir die Segel und zurrten die Genua an Deck fest. Nach 68 Stunden auf See legten wir an und hatten endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Ein unbeschreibliches Gefühl! Nach einer heißen Dusche und einem reichhaltigen Abendessen fielen wir müde in unsere Kojen. Die nächsten zwei Tage nutzen wir, um uns von der Überfahrt zu erholen und einige kleinere Arbeiten am Schiff durchzuführen.
Von La Coruña nach Nazaré
Am Donnerstag sollte es dann endlich weitergehen. Wir wollten zunächst an der spanischen Küste entlang ums Kap Finisterre und anschließend nach Portosín segeln. In den frühen Abendstunden legten wir ab und fuhren zusammen mit einer riesigen Flotte von Fischerbooten aus dem Hafen. Die Nacht war warm und mit etwa 25 Knoten Wind hatten wir perfekte Bedingungen. Die Freude darüber währte jedoch nicht lange: Nach etwa fünf Stunden Fahrt riss plötzlich der Vorläufer der Fock 3.5 und das Segel kam herunter. Da sich der Schlitten immer noch im Masttopp befand, war es uns nicht möglich ein anderes Vorsegel zu setzen. Die anstehende Kreuz erschien uns so wenig sinnvoll und schweren Herzens gingen wir auf Gegenkurs zurück nach A Coruña. Auf dem Rückweg mussten wir einigen Fischerbooten ausweichen, die teilweise bedrohlich nahekamen. Um 5 Uhr morgens erreichten wir erneut den Hafen.
Am nächsten Tag ließen wir das Segel reparieren und erkunden ein wenig die Stadt. Nach einem lustigen Abend zusammen mit unseren Stegnachbarn machten wir uns erneut auf den Weg, diesmal mit Ziel Porto. Zuvor hatten wir uns noch zu einer kleinen Spaß-Regatta mit unseren Stegnachbarn verabredet. Mit ihrer 50 Jahre alten Yawl hatten diese jedoch kaum eine Chance gegen die askew und wir ließen sie bald darauf in unserem Kielwasser. Nach einiger Zeit ließ der Wind deutlich nach und das einzige mal auf unserer Reise motorten wir einige Seemeilen. Mit einem Regenschauer nahm der Wind einige Minuten später wieder zu und wir segelten weiter.
Mitten in der regnerischen Nacht erreichten wir das Kap Finisterre, den westlichsten Punkt Europas. Leider mussten wir an dieser Stelle bei drehenden Winden kreuzen, teilweise mit Wendewinkeln von über 120°. Dabei verloren wir wertvolle Zeit, was uns später vor Porto noch zum Verhängnis werden sollte. Ums Kap herum beobachteten wir auch mit großem Erstaunen leuchtendes Seegras, dass hier in Massen herumschwamm.
Nachdem wir das Kap erfolgreich gerundet hatten ging es zunächst entspannt weiter Richtung Porto. In den Morgenstunden folgte uns für eine ganze Stunde kontinuierlich ein Delfinschwarm. Im Laufe des Vormittags raumte der Wind immer weiter und nahm an Stärke zu. Da es einige Male fast zu einer Patenthalse gekommen war, entschieden wir uns einen Bullenstander auszubringen.
Zu Beginn der 20 Uhr Wache waren wir noch zuversichtlich in den nächsten Stunden anzulegen. Wir bereiteten uns bereits auf die finale Halse nach Porto vor und entfernten den Bullenstander. Da in der letzten Stunde der Wind deutlich nachgelassen hatte, entschieden wir uns zudem komplett auszureffen. Ein Fehler, wie sich bald darauf herausstellen sollte. Nachdem wir gerade ausgerefft hatten nahm der Wind sprunghaft auf 37 Knoten zu. Die askew machte plötzlich über 13 Knoten Fahrt und das mit der halben Reling unter Wasser! Sofort entschieden wir uns ins dritte Reff zu gehen. Dies gestaltete sich jedoch schwierig und wir kämpften eine ganze Weile mit dem Segel. Schließlich war unser vorhaben dennoch von Erfolg gekrönt. Lediglich die Lazy-Jacks waren den Windböen zum Opfer gefallen. An ein Anlegen in Porto war unter diesen Bedingungen trotzdem nicht zu denken. Wir trafen die für alle ernüchternde aber einzig richtige Entscheidung weiter ins etwa 90 Seemeilen entfernte Nazaré zu segeln. Nach einigen Stunden nahm der Wind dann zum Glück wieder deutlich ab.
Etwa zur Mittagszeit erreichten wir den Surfer-Hotspot Nazaré. Die Sonne schien und alle waren gut gelaunt. Von See aus hatten wir einen wunderschönen Blick auf die Stadt und die umliegenden Hügel. Jetzt mussten wir nur noch sicher anlegen. Die großen Wellen, die direkt auf den Hafen zuliefen, sorgten bei uns jedoch für einige Schweißperlen auf der Stirn. Unter Motor und Fock surften wir in den Hafen. Glücklicherweise ging alles gut und einige Zeit später lagen wir im wenig idyllischen Hafen von Nazaré.
Von Nazaré nach Cascais
Aufgrund von nahendem schlechten Wetter entschieden wir uns schon am nächsten Tag weiter ins 70 Seemeilen entfernte Cascais zu segeln. Nach den zwei langen Schlägen war es für uns ganz ungewohnt nur einen Tag und ohne Wachplan unterwegs zu sein. Um noch im Hellen anzukommen legten wir bereits morgens früh um 8 Uhr bei strömendem Regen in Nazaré ab. Zunächst war es erneut sehr windig mit Böen bis 35 Knoten und entsprechenden Wellen. Nach einigen Stunden erreichten wir Kap Carvoeiro. Ab hier klarte es erfreulicherweise auf und die Sonne kam heraus. Den Rest des Tages hatten wir perfekte Bedingungen: Bei strahlendem Sonnenschein surften wir bei 25-30 Knoten achterlichem Wind im 3. Reff die Wellen herunter. Kurz vor 18 Uhr erreichten wir schließlich Cascais, wie sich später herausstellen sollte den Endpunkt unserer Reise.
Am nächsten Tag wollten wir eigentlich weiter nach Lissabon segeln. Nachdem uns jedoch mehrere Häfen telefonisch mitgeteilt hatten, dass es dort derzeit keinen Liegeplatz für uns gab, entschieden wir uns bis zur Übergabe in Cascais zu bleiben. Stattdessen nutzen wir den Tag, um einige notwendige Arbeiten am Schiff durchzuführen. Unter anderem erneuerten wir Teile des Vorstags, wofür wir dieses zunächst komplett demontieren mussten.
Freitagnachmittag hatten wir dann endlich Zeit mit dem Zug nach Lissabon zu fahren und uns die Stadt anzuschauen. Dort trafen wir auch die Crew der dritten Etappe mit denen wir anschließend noch Krabben und andere Meeresfrüchte essen waren. Es wurde noch eine lange Nacht im Barviertel von Lissabon.
Am nächsten Morgen stand die Taufe der askew an. Bisher hatte sich hierfür keine passende Gelegenheit gefunden. Nach einer feierlichen Rede von Anika war die askew endlich auf ihren neuen Namen getauft. Kurz vor der Übergabe an die nachfolgende Crew montierten wir mit vereinten Kräften das nun reparierte Vorstag. Anschließend machten wir klar Schiff und traten die Heimreise an.
Insgesamt hat uns der Törn trotz seiner Höhen und Tiefen großen Spaß bereitet. Wir haben in den zwei Wochen viel gelernt und viel erlebt. Die askew hat sich dabei stehts als treue Begleiterin erwiesen und gab uns immer ein beruhigendes Gefühl von Sicherheit!