Die Ostsee ist ein spannendes Segelrevier mit vielen kleinen, idyllischen Häfen, die es zu entdecken gibt. Am Sonntagmorgen starteten wir mit einem Stadtmobil Richtung Ueckermünde und legten die rund 870 km erstaunlich schnell zurück. Mit der „Wappen von Uekermünde“ stand uns ein besonderer Großsegler aus dem Jahr 2007 zur Verfügung, der durch seine Größe, Ausstattung und Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer hervorsticht. Mit 22 Metern (Lüa), fünf Segeln und 235 qm Gesamtsegelfläche ein vielversprechendes Gefährt für neue Abenteuer!
Nachdem die Kojen bezogen waren, ging es mit dem Kutter zum Abendessen in den Stadthafen, wo auch die Zugreisenden pünktlich in Empfang genommen werden konnten. Der Küstenfluss Uecker trennt den Ort in zwei und mündet im Stettiner Haff, das der Ostsee vorgelagert ist.
Den folgenden Vormittag nutzten wir, um den Proviant für die Woche einzukaufen und das Auslaufen vorzubereiten. Über die polnische Kaiserfahrt verließen wir das Haff, vorbei an Swinemünde, in die offene Ostsee. Die Wetterkarten der Dänen ließen auf gutes Wetter und schwache bis mittlere Winde schließen. Über fcoo.dk stellt die meteorologische Abteilung der dänischen Streitkräfte diese zur Verfügung. Besonders für die Ostsee sind ihre Vorhersagen sehr genau und wurden von uns für die Routenplanung verwendet.
Ziel der ersten Etappe war es nachts in der Prorer Wiek zu ankern, was wir aber aufgrund des gegen Mitternacht einschlafenden Windes verwarfen. Noch in Fahrt konnten wir Stephan zum Geburtstag gratulieren, bevor wir als nächstbeste Möglichkeit die Reede vor der „Greifswalder Oie“ ansteuerten. Sie verfügt über eine bewegte Geschichte: die Insel wurde zusammen mit der Heeresversuchsanstalt Peenemünde von der Wehrmacht für zahlreiche Raketenstarts der „Vergeltungswaffe“ auf London genutzt. Noch heute sind große Teile des Meeresbodens aufgrund dieser militärischen Nutzung, der Bombardierung der Anlagen und Entsorgung nach Kriegsende durch Kampfmittel belastet. Mit dem 15 PS Dingi konnten wir die Anlagen und ihre neuen Bewohner vom Wasser aus näher betrachten.
Vorbei an den beindruckenden Kreidefelsen legten wir am nächsten Tag die verbleibenden 38 Seemeilen nach Glowe zurück. Während Besucher vom Königsstuhl auf das offene Meer hinaus schauen, hatten wir beste Sicht auf die grünen Buchenwälder und das Weiß der Kreide. Die danach folgende Tromper Wiek spannt einen Bogen bis hin zum Kap Arkona, das den nördlichsten Teil Rügens markiert. Mit seinem riesigen, fast endlosen Sandstrand die perfekte Ankerbucht für Segler. Den kleinen Hafen des Ostseebads Glowe steuerten wir als unser Tagesziel an und sorgten mit einem gelungenen Anlegemanöver auf engem Raum für ein positives Hafenkino bei den zahlreichen Schaulustigen.
Das Abendessen war noch in Zubereitung, da wurde bereits im und auf dem Kartenhaus getanzt. Die Stimmung wurde immer ausgelassener und hielt bis spät in die Nacht an. Bei der Polonaise zahlte sich nun auch die Barrierefreiheit des Schiffes aus. Auch im Hafen blieb die gute Stimmung nicht unbemerkt. Einige Matrosen wirkten noch etwas verschlafen, andere trugen ein verschmitztes Lächeln im Gesicht – die Anzeichen der Feier waren nicht zu übersehen. Natürlich blieb da der ein oder andere humorvolle Spruch anderer Segler auf dem Weg zu den Sanitäranlagen nicht aus. Trotz der leichten Müdigkeit war die Stimmung an Bord prächtig. Man spürte, dass die Feier die Crew noch enger zusammengeschweißt hatte. Eine Party, wie sie Glowe sicher schon sehr lange nicht mehr erlebt hat!
Um das Kap Arkona herum ging es weiter an der Westseite der Insel Hiddensee entlang. Wie in den vergangen Tagen müssten wir uns per Sprechfunk bei der jeweiligen Verkehrszentrale anmelden und fortlaufend bei den entsprechend eingezeichneten Tonnen Meldung machen. Das enge Fahrwasser mit Untiefen zwischen Hiddensee und Festland forderten von Julia volle Konzentration, während wir uns auf dem Vorschiff die atemberaubende Landschaft rund um den Gellenstrom der Halbinsel Gellen bestaunten. Mit der Hansestadt Stralsund steuerten wir ein vielversprechendes Tagesziel an. Von Deck aus verfolgten wir hautnah die traditionelle Mittwochsregatta, besichtigten Stadt und Europas älteste Hafenkneipe von 1332.
Auch in Greifswald konnten wir einen Liegeplatz in bester Lage, dem Museumshafen, ergattern. Mangels Wind waren wir gezwungen die 25 Seemeilen unter Motor zurückzulegen. Die Wieker Holzklappbrücke aus dem Jahr 1887 erforderte genaues Steuern. Noch immer werden die beiden 13,30 Meter langen Klappen stündlich von zwei Personen per Handkurbel geöffnet und erlauben der Saling und somit dem Steuermann nur wenig Spielraum. Die wunderschöne Hansestadt genießen wir bei einem gemeinsamen Landgang. ASV Greifswald wir sind neidisch!
Wie immer, wenn nicht gerade wie am Vortag motort wurde, ging es unter Vollzeug raus auf die Ostsee mit Kurs auf Swinemünde. Zwischenzeitlich erreichten wir konstante Geschwindigkeiten von über 10 Knoten Fahrt. Von einem ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt kehrten wir ernüchtert zurück. Wenige Kilometer von der deutschen Grenze entfernt herrscht hier eine andere Lebensart. Bunte Leuchtreklamen, RGB-Beleuchtung und riesige Hotelkomplexe widerstreben uns. Sicher waren wir durch die zuvor angesteuerten Hansestädte anspruchsvoll geworden. Immerhin konnte der mittlerweile aufgebrauchte Kaffee (an Board waren 1,5 kg!) für das letzte Frühstück an Board nachgekauft werden.
Über die Kaiserfahrt ging es am nächsten Morgen wieder durch das Stettiner Haff zurück nach Ueckermünde. Meilenbücher wurden geschrieben und klar Schiff gemacht, ehe wir im Stadtmobil die Heimreise antraten.
Gemeinsam blicken wir auf die vergangenen sieben Tage zurück: bestes Wetter, eine wunderschöne, spannende Route und nichts was nur annähernd schief gelaufen ist.
Wir tauschen uns darüber aus und sind uns einig. Es sind die Menschen, die den Unterschied machen – nicht das Wetter, die Route oder der Wind. Wir waren eine großartige Crew, bunt gemischt und voller Teamgeist. Genau das hat unsere Reise unvergesslich gemacht.