Lissabon (Cascais)
Nach langer Zeit der Neugier und Vorfreude hatte das ungeduldige Warten auf den dritten Überführungstörn endlich ein Ende. Bei herrlichem Wetter und nach einer Woche Dauerregen in Lissabon traf die neue Crew um Skipper Reinhard in Lissabon ein. Nachdem alle ihr Gepäck in der Unterkunft abgelegt hatten, ging es unter der ortskundigen Führung von Julian auf Erkundungstour in die Innenstadt. Zum Abschluss eines gelungenen ersten Tages, trafen wir uns abends mit der Crew von Hans zum Essen. Bei dem einen und anderen Bier wurden bis spät in die Nacht Geschichten der vergangenen Etappe erzählt und sich über ausgeführte und noch zu erledigende Reparaturen ausgetauscht. Dabei stellte sich heraus, dass die Biskaya-Crew öfters das Vorsegel flicken musste, welches auf Grund einer fehlerhaft montierten Führungsschiene bei der Überfahrt mehrfach eingerissen war. Nachdem das gesamte Vorstag für die Reparatur abgeschlagen worden war, waren beide Crews den Samstagvormittag gemeinsam damit beschäftigt das Rigg wieder zu stellen. Als diese Arbeit erledigt war, verabschiedeten wir uns von den Heimfahrern und machten es uns auf der askew gemütlich. Gepäck wurde verstaut, Proviant gebunkert und sich mit dem Schiff vertraut gemacht. Nach einer kurzen Einweisung entschieden wir uns zu einer kleinen Ausfahrt, um verschiedenes zu testen und vielleicht am Abend noch Richtung Süden auszulaufen. Diese Entscheidung stellte sich als richtig heraus, als wir bemerkten, dass die Positionslichter am Bug nicht funktionierten. Zurück im Hafen mussten wir feststellen, dass die Stromkabel beider Lampen sich in korrodiertes, grünes Pulver verwandelt hatten. Hier gab es nur noch eine richtige Entscheidung: Die Nacht im Hafen zu verbringen und am folgenden Morgen direkt mit den Reparaturarbeiten zu beginnen. Nach der etwas gedämpften Motivation des Vortages konnten wir frisch ausgeschlafen beide Lichter am Sonntagvormittag zum Laufen bringen und waren bereit für den ersten langen Schlag in Richtung Cadiz!
Lissabon (Cascais) – Cadiz
Bei Sonnenschein, 22° und einer angenehmes Brise ging es mit Wind im Rücken los. Direkt stellte sich ein wohliges Gefühl ein. So kann es die nächsten beiden Wochen ruhig bleiben! Um die vor uns liegenden und grob mit 250 Seemeilen geplante Strecke entspannt zu bewältigen, teilten wir uns in zwei Wachschichten mit je drei Personen auf. Nach einer ersten ruhigen Nacht mit kontinuierlichem Rückenwind fuhren wir langsam aber sicher in eine Flaute. Unter Motor begrüßte uns am Morgen des Montags dann aber die erste Delfinschule des Törns, die einen Gefallen an askew’s Bugwelle gefunden hatten. Gegen Mittag frischte der Wind erneut auf und wir konnten die Segel wieder setzen. Mit einer angenehmen Reisegeschwindigkeit von durchschnittlich 6,5 Konten schob uns die langgezogene Atlantikwelle vor sich her. Gegen Abend konnten wir dann auf perfektem Downwind-Kurs zum ersten Mal den Spi setzen und einen wundervollen Sonnenuntergang genießen, bevor es in die zweite Nacht ging. Kurz nach Mitternacht während der zweiten Nachwache, schlief der Wind erneut ein, so dass wir die letzten paar Stunden unter Motor fahren mussten. Aufmerksam vor allem wegen Fischernetzen und schlecht beleuchteten Fischerbooten begannen wir mit der Ansteuerung auf Cadiz. Kurz vor Sonnenaufgang machten wir nach 60 Stunden im Regionalhafen fest. Wir entschlossen uns nach einem ausgiebigen und verdienten Frühstück die Innenstadt von Cadiz zu besichtigen. Bei kräftiger Sonne und toller Stadtkulisse, genossen wir die erste spanische Paella mit kühlem Bier. Etwas müde vom ungewohnten Schlafrhythmus der vergangen zwei Tage wurde die Siesta zeitlich etwas ausgeweitet. Der Plan war es in der Nacht bei fallendem Wasser aus zu laufen. Zuvor zauberte Skipper Reinhard aber noch ein fantastisches Schwertfisch-Steak zum Abendessen, dass wir mit Gin-Fizz bei Sonnenuntergang abrundeten. Gut gesättigt und einigermaßen ausgeruht waren wir bereit für Schlag Nummer 2.
Cadiz – Gibraltar
Als wir in den frühen Morgenstunden des Mittwochs mit dem Ziel Gibraltar ausliefen, waren wir bereits auf den bald wechselnden Wind eingestellt. Die angenehme Zeit mit Rückenwind und Spi war ab heute vorbei. Der zunehmend stärker werdende Levante aus Richtung Gibraltar zwang uns auf die Kreuz. Bei konstant über 20kn auf den Bug und einer fiesen kürzer werdenden Welle lernten wir das neu eingenähte dritte Reff schnell zu schätzen. Als der Strom mit geschätzten 3 Knoten unsere Wendewinkel auf nahezu 180 Grad vergrößerte und kreuzen damit sinnlos machte, war Zeit den Jockl anzuschmeißen und frontal den Kampf mit den Wellen zu suchen. Stampfend und knarzend näherten wir uns mühsam und nur langsam der Meerenge von Gibraltar. Mittlerweile war die erste Nachtfahrt unter erschwerten Bedingungen bereits vorbei und eine gewisse Erschöpfung war zu spüren. Dennoch entschloss sie die einigermaßen frische Crew bei der Wachablösung die Segel erneut zu setzen. Damit begann die erneute Kreuz zwischen Europa und Afrika mit zunehmendem Wind in Richtung der 30 Knoten plus. Steuermann Henning brachte uns in einem furiosen 8-stündigen Ritt, in der er vom Steuerrad nicht zu trennen war, schließlich durch die Straße und bis in die Bucht von Gibraltar. Hier angekommen wurden Welle und Strom deutlich geringer und wir konnten die letzten zwei Stunden Amwind-Segeln bis in den Hafen genießen. Müde aber glücklich gingen wir schlafen und bereiteten uns mental schon auf den nächsten Tag mit einigen Reparaturen vor.
Gibraltar – (Estepona) – Cartagena
Während der Fahrt durch die Straße von Gibraltar war uns aufgefallen, dass sich die Windex „verabschiedet“ hatte und nur noch am Kabel baumelte. Während der Erkundungstour durch Gibraltar konnten wir glücklicherer Weise beim ortsansässigen Raymarine-Händler eine passende Ersatz-Windex bekommen, die wir nach einer längeren Operation im Mast erfolgreich installierten. Mit wieder funktionierenden Instrumenten bereiteten wir unsere askew auf den nächsten Schlag nach Catagena vor. Mit dem unverändert stark angesagten und immer noch gegenan wehenden Wind entschlossen wir uns die nagelneue Sturmfock an zu schlagen. Leider wurde uns schnell klar, dass der Name Sturmfock wohl doch nur zu wirklichem Sturm passte. Bei 25 Knoten in der Bö brachte dieses Segel und nicht die erwartete Höhe und Geschwindigkeit und wir entschieden das Vorsegel erneut zu wechseln. Da im Hafen bereits trainiert, war dieses Manöver auch unter erschwerten Bedingungen für die Crew kein Problem und es ging in die Abenddämmerung. Auf der Höhe von Estepona zwang und ein sehr spontan aufkommendes Unwetter mit Gewitter zur Unterbrechung der Fahrt. Als kurz vor dem sicheren Hafen der Wind mit heulenden Beaufort 9 von querab unsere askew auch ohne Segel zu kräftig Kränkung zwang, wussten wir, dass die Entscheidung einen Hafen anzulaufen die richtige gewesen war. Sichtlich erleichtert und geschafft verbrachten wir hier die bereits angebrochene Nacht. Am folgenden Tag setzten wir früh ablegend die Reise nach Catagena fort. Durch die unfreiwillig aber zwingende Unterbrechung des Vortages war der Druck den Zeitplan einzuhalten enorm gestiegen. Schnell war klar, dass wir nur unter Motor und auf direkten Weg eine Chance hatten unser Ziel zu erreichen. Die folgenden 36 Stunden lief so fast durchgängig der Motor. Nur kurzzeitig konnten wir, innerhalb einer Nachtwache, die Segel setzen und bei einem 5 – 6er Wind auf Cartagena zu kreuzen. Das war die bis dahin wohl anstrengendsten Fahrt, da der Segelabschnitt deutlich zu kurz war. Bei der Einfahrt in die Marina begrüßte uns die momentan größte Segelyacht der Welt „A“, die in der dortigen Werft fest lag.
Cartagena – Palma
Wäre da nicht der permanent im Nacken sitzende Zeitdruck, die zu erreichenden Flüge und die nächste Crew, hätten wir uns im schönen Cartagena wohl einen Hafentag mehr gegönnt. Da aber immer noch eine ordentliche Strecke vor uns lag und das permanente Gegenan immens Zeit kostete war dieser Luxus leider nicht drin. Mental bereits auf die nächsten 3 Tage „auf-der-Backe-segeln“ vorbereitet verließen wir schließlich Cartagena und nahmen Kurs auf Palma. Viel Wind und eine unverändert aggressive Welle … machten uns mittlerweile gar nicht mehr so viel aus. Routiniert segelten wir die askew Seemeile um Seemeile näher in Richtung Palma. Als wir auf der Höhe von Alicante nach Ibiza abbogen lies der Wind abrupt nach es war erneut notwendig den Motor anzuschmeißen. Als wir gegen Abend an Ibiza und den traumhaften Buchten vorbei motoren mussten, wussten wir, dass es diesen „Urlaub“ tatsächlich keine Bucht geben würde. Stattdessen kam jedoch in der Bucht von Palma nochmal schöner Wind auf. Bei 35 Knoten in Boen und gegenan segelten wir gen Ziel. Zwei komplett ausgebuchten Häfen sagten uns über Funk bereits ab, so dass wir den Hafen nahe des Flughafens wählten. Am frühen Donnerstagmorgen erreichten wir nach über 1000 Seemeilen und mehr als 100 Stunden unter Motor unseren Zielhafen Palma. Mission accomplished.
Der Rest ist schnell erzählt: Es gab ein freudiges Wiedersehen mit der Nachfolge-Crew um Philipp und den Hafentag am Freitag nutzen wir, um die bisher provisorisch reparierten Positionslichter durch nagelneue zu ersetzen, bevor sich die Crew Mann-um-Mann Richtung Flughafen verabschiedete.